Gunnar Teich, Jan-Michael Schönebeck
Unabhängig von der individuellen Ausgangssituation ist es erforderlich, dass sich Unternehmen mit der digitalen Transformation auseinander setzen, da sie in jedem Fall die kulturellen, strategischen und strukturellen Ebenen betrifft. Hierzu gehören eine umfängliche Change-Begleitung sowie die Einbeziehung und das Commitment des Managements, um die Notwendigkeit der Veränderung intensiv zwischen allen Hierarchieebenen zu kommunizieren. Eine agile Herangehensweise erscheint hier als erfolgversprechendste Variante in allen Szenarien. Dafür sprechen einerseits die intensive Befähigung und Aktivierung der Mitarbeiter, die mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung den Transformationsprozess durch die Auswahl der Themenfelder und die entsprechende Priorisierung aktiv gestalten.
Andererseits ist es erforderlich, zeitnah aktuelle Anforderungen und Veränderungen anhand eines agilen Ansatzes umzusetzen, um mit der Geschwindigkeit der Entwicklungen in der BANI-Umwelt mithalten zu können. Dabei müssen Unternehmen berücksichtigen, dass die Einführung agiler Methoden zum einen Investitionen und eine enge Change Begleitung sowie zum anderen Veränderungsbereitschaft, Mut und Stressresistenz erfordern. Die genannten Punkte sind die notwendigen Voraussetzungen, um ein agiles Mindset konsequent anzuwenden, langfristig zu fördern und schließlich die digitale Transformation erfolgreich umzusetzen.
Der Ansatz dafür ist anhand der vier wesentlichen Themenfeldern je nach Unternehmenslage zu wählen bzw. zu priorisieren wie sie in Abschnitt 2 genannt wurden:
- Transformation der Interaktion mit externen Stakeholdern (standardisierte Schnittstellen und Plattformen)
- Interne Prozesstransformation (Workflows, Prozessautomatisierung)
- Transformation des Leistungsversprechens (z. B. datenbasierende Geschäftsmodelle)
- Kulturelle und organisatorische Transformation
Einerseits muss die kulturelle und organisatorische Transformation in allen Szenarien Bestandteil der digitalen Transformation sein. Andererseits differenzieren sich die Handlungsalternativen maßgeblich in der Vorgehensweise (siehe Abb. 6).
Abb. 6: Entscheidungsfreiheit für Digitalisierungsinitiativen
Unternehmen, die sich nicht in einer Krise befinden, können abgeleitet aus der Unternehmensstrategie z. B. große IT-Projekte wie das Upgrade ihrer ERP- und Analytics-Infrastruktur als Big-Bang Projekte mit hohen Standards für Harmonisierung und einer relativ betrachtet hohen Komplexität abbilden und Implementieren. Auch die kulturelle und organisatorische Transformation kann in diesem Fall in vielen kleinen Schritten erfolgen, um sich iterativ einem Sollzustand zu nähern. Diese Wahl stellt sich für Unternehmen, die sich in einer Krise befinden, nicht.
Eine Variante, zuerst die Möglichkeiten der digitalen Transformation zu erkunden und diese in Piloten z. B. in Speed Boats zu nutzen und so ein Unternehmen schrittweise zu transformieren, bietet sich eher für Unternehmen, die nicht in einer Krise sind. Dieser Ansatz bietet die Möglichkeit, Kultur und Technik einfach in kleinen Einheiten zu transformieren, um so auf schnellem Wege Ergebnisse zu erhalten und das Beste aus diesen Piloten für die gesamte Unternehmung zu adaptieren.
Für Unternehmen in einer Krisensituation geht es darum, selektiv und kritisch die echten SweetSpots zu identifizieren, bei denen eine selektive und hochstandardisierte Digitalisierung erhebliche Potenziale heben kann. Dies kann z. B. die Einführung eines Workflow-Management-Systems sein oder die Automatisierung der unternehmensinternen kaufmännischen Standardprozesse (Rechnungen, Bestellungen, Gutschriften, Verbuchung der Bankbelege, Treasury, etc). In der Regel sind diese Prozesse nicht relevant für eine Differenzierung im Wettbewerbsumfeld und können so einfach in einer standardisierten Weise (Greenfield Ansatz) implementiert werden. Grundsätzlich ist eine solche hochstandardisierte Digitalisierung auch auf einen Start im Operations-Umfeld übertragbar. Dies ist allerdings im individuellen Fall genau zu prüfen.