Monika Todorov, Florian Theimer
Das Offenlegen der Kennzahlen für alle Mitarbeiter empfanden wir als großes Wagnis. Wie reagieren die Mitarbeiter eines Bereichs, dessen Kennzahlen eine niedrige Wirtschaftlichkeit ausweist? Werden Mitarbeiter aus wirtschaftlich erfolgreicheren Bereichen überheblich? Um dem vorzubeugen, haben wir von Anfang an eine Art Kennzahlen-Beipackzettel mitgeliefert. In jeder Kommunikation wird erläutert, was die Kennzahlen aussagen und was sie nicht aussagen. In kritischen Fällen stecken wir viel Energie in eine gemeinschaftliche Interpretation der Kennzahl.
Gemeinsame Interpretation bei schlechten Ergebnissen
Ein Bereich hat seit Monaten einen niedrigen wirtschaftlichen Erfolg. Dieser Bereich beschäftigt sich allerdings mit einem innovativen Zukunftsthema und Wirtschaftlichkeit ist nicht sein primärer Fokus. Hier ist es Aufgabe von erfahrenen Mitarbeitern, bei der Interpretation zu helfen.
4.1 Kennzahlensemantik und Mitarbeiterschulung
Wenn man nicht täglich damit arbeitet, vergisst man schnell die Bedeutung einer Kennzahl. Selbst bei einfachen Werten wie z. B. die Anzahl der Mitarbeiter. Sind darin Werksstudenten enthalten? Oder Mitarbeiter in Elternzeit?
Neben einer guten Dokumentation hat sich vor allem die Möglichkeit bewährt, unkompliziert Fragen stellen zu können. Als Kommentar unter einem Bericht, in einer Chatgruppe oder indem wir Ansprechpartner in der Firma ausgewiesen haben. Zur Einarbeitung für neue Mitarbeiter haben wir mit verschiedenen Schulungsformaten experimentiert. Bewährt haben sich eine Kurzreferenz, analog einer Formelsammlung, sowie diverse kleine E-Learning-Formate mit informativen, von unseren Mitarbeitern erstellten Video-Sequenzen kombiniert mit Gamification-Ansätzen wie Kennzahlen-Quizspiele.
4.2 Helfen variable Gehaltsbestandteile, damit Kennzahlen ernster genommen werden?
Zur Einführung haben wir uns viele Gedanken gemacht, ob eine Koppelung von Kennzahlen (z. B. dem Wirtschaftlichen Erfolgsindikator) an variable Gehaltsbestandteile der Kennzahl mehr Bedeutung geben. Motiviert es einen Mitarbeiter die Kennzahl zu optimieren, wenn ein Teil seines Gehalts davon abhängt? Um das auszuprobieren haben wir den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, bis zu 20 % ihres Gehalts an den Wirtschaftlichen Erfolgsindikator zu koppeln. Mit der Chance auf Verdopplung und dem Risiko des Totalverlustes. Nach einem Jahr haben wir die Erkenntnisse gewonnen, dass sich eine Koppelung nicht lohnt.
Es haben sich nur wenige Mitarbeiter für eine Koppelung entschieden, selbst wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit dadurch mehr Geld verdient hätten. Oft fanden sie die "Gehaltsunsicherheit" als belastender als die Chance auf ein höheres Gehalt motiviert hätte.
Die Mitarbeiter, die sich eine Entscheidung ernsthaft überlegten, haben sich intensiv mit der Bedeutung der Kennzahl auseinander gesetzt und sie ausgiebig hinterfragt. Dabei war zu beobachten, dass sie begannen, der Kennzahl zu misstrauen. Sie versuchten Fallen und Hintertürchen zu finden. Sie betrachteten die Kennzahl auch mehr unter der Perspektive "Gehaltsfaktor" und nicht mehr unter ihrer eigentlichen Bedeutung.
Mitarbeiter, die sich gegen eine Koppelung entschieden haben, nehmen die Kennzahl trotzdem ernst. Ein wichtiger Faktor dabei ist die öffentliche Sichtbarkeit. So ist der wirtschaftliche Erfolg meines Projektes oder Bereiches sichtbar. Mitarbeiter sind stolz auf "gute" Werte und wollen "schlechte" Werte verbessern.
4.3 Keine Zielwerte für Kennzahlen
Wir geben uns zu unseren Kennzahlen keine Zielwerte vor, kein Wachstumsziel, kein Wirtschaftlichkeitsziel. Kennzahlen dienen nur zur Beobachtung und zum Verständnis des Zustands unseres Unternehmens. Diesen Entschluss haben wir aus der Sorge vor unternehmerisch sinnlosen Maßnahmen, die nur der Kennzahloptimierung dienen, getroffen.
Nachteil ist, dass das Fehlen von Zielen bei manchen Mitarbeitern ein Gefühl der Orientierungslosigkeit verursacht. Welcher Wert ist gut? Welcher schlecht? Erfahrene Führungskräfte haben das im Gefühl, neue Mitarbeiter nicht. Um dem vorzubeugen, haben wir für Kennzahlen Leitplanken erstellt. Zum Beispiel: "In der Regel liegt der Code-to-Cash Wert bei 60 Tagen" oder "In einem finanziell erfolgreichen Jahr ist der Wirtschaftliche Erfolgsindikator größer 1".