Nun bleibt natürlich erst einmal abzuwarten, was der BFH aus diesem Urteil des Gerichtshofs vom 28.10.2021 macht. Viel Raum für Auslegung bleibt ihm aber wohl nicht. Was das für die Praxis voraussichtlich bedeutet, soll nachfolgend kurz skizziert werden.
1. Zurück auf Null
Wieder bei "Vor-2013": Mit den Ausführungen des EuGH ist die deutsche Rechtspraxis eigentlich wieder in der Zeit vor 2013 angekommen, d.h. bevor der BFH mit dem Urteil vom 24.10.2013 entschieden hatte, auch in dem Fall der vertraglichen Vereinbarung, dass bestimmte Entgeltanteile erst später zu zahlen seien, liege ein Fall der Uneinbringlichkeit i.S.d. § 17 UStG vor, so dass die Bemessungsgrundlage bis zur Vereinnahmung der entsprechenden Beträge vermindert werden könne. Diesen Überlegungen sowie den weiteren Überlegungen des BFH in den nachfolgenden Beschlüssen dazu, dass Steuer, die entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen über einen längeren Zeitraum nicht vereinnahmt werden könne, (noch) nicht geschuldet werde, konnte sich der EuGH leider nicht anschließen.
Frage der Übereinstimmung mit mehrwertsteuerlichen Prinzipien: Das (jetzige) Verständnis des EuGH dürfte dem Wortlaut der Vorschriften der Art. 63, 64 und 90 MwStSystRL entsprechen. Allerdings – und hier hätten ein paar kurze weitergehende Ausführungen nicht geschadet – berücksichtigt dieses Ergebnis möglicherweise ggf. einschlägige übergeordnete Prinzipien des Unionsrechts nicht. So wäre ja denkbar, dass die Vorfinanzierung des Steuerbetrags durch den Steuerpflichtigen über mehrere Jahre dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer widerspricht. Aus diesem ergibt sich nämlich u.a., dass die Mehrwertsteuer für die Steuerpflichtigen keine Belastung darstellen darf. Dies dokumentiert sich darin, dass Mehrwertsteuer, die der Leistende für entgeltliche Umsätze schuldet, auf den Leistungsempfänger abgewälzt wird, während Steuerbeträge, die für bezogene Leistungen an andere Unternehmer gezahlt worden sind, sofort als Vorsteuer geltend gemacht werden dürfen. Bei der Vorfinanzierung über einen längeren Zeitraum ergäbe sich zumindest temporär eine dem Neutralitätsgrundsatz evtl. widersprechende Belastung des leistenden Unternehmers.
Liquiditätsbelastung hat keine Bedeutung für EuGH: Der Effekt der eventuell jahrelangen Vorfinanzierung der Steuer durch den Unternehmer ist für den EuGH aber offensichtlich ohne Bedeutung.
2. Vorfinanzierung
Pflicht zur Vorfinanzierung besteht weiter: Unternehmer, die ihre Tätigkeiten als Sollbesteuerer ausüben, müssen auch künftig im Leistungszeitpunkt ihre Umsätze auf Basis des vollen vereinbarten Entgelts versteuern. Wann dieses Entgelt fällig ist, wann also der Leistungsempfänger das Entgelt an den Leistenden zu entrichten hat, ist dabei grundsätzlich unerheblich. Auch wenn Leistender und Leistungsempfänger Ratenzahlung vereinbart haben, muss der Leistende im Besteuerungszeitraum der Leistungserbringung den vollen Umsatzsteuerbetrag ans Finanzamt abführen.
3. Vermeidung durch vertragliche Regelungen
Liquiditätsneutraler Ausgleich: Will der Leistende im Fall der Ratenzahlung die Vorfinanzierung der Umsatzsteuer vermeiden, kann er mit dem Leistungsempfänger vereinbaren, dass dieser zunächst (unabhängig davon, wann die [Netto-]Raten zu entrichten s...