4.1 Nicht für alle Kosten ist eine Rückstellung möglich
Die nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung anzusetzenden Rückstellungen sind auch in der steuerlichen Gewinnermittlung (Steuerbilanz) zu bilden, soweit eine betriebliche Veranlassung besteht und steuerliche Sondervorschriften nichts anderes bestimmen, beispielsweise
- § 5 Abs. 2a EStG – ungewisse Verbindlichkeiten, die nur zu tilgen sind, soweit künftig Gewinne oder Einnahmen anfallen. Eine Rückstellung kann also erst gebildet werden, wenn Gewinne oder Einnahmen angefallen sind.
- § 5 Abs. 3 EStG – Rückstellungen wegen Verletzung fremder Schutzrechte sind eingeschränkt.
- § 5 Abs. 4 EStG – Rückstellungen aus Anlass eines Dienstjubiläums sind eingeschränkt.
- § 5 Abs. 4a EStG – Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden.
- § 5 Abs. 4b EStG – es darf keine Rückstellung passiviert werden, wenn die Erfüllung der Verpflichtung dazu führt, dass ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut entsteht.
4.2 Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten dürfen nur gebildet werden, wenn
- es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt (Außenverpflichtung)
- die Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist und
- mit einer Inanspruchnahme aus einer nach ihrer Entstehung oder Höhe ungewissen Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist und
- die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut führen.,
Restrukturierungsrückstellung ist eine ungewisse Verbindlichkeit
Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten, z. B. als Restrukturierungsrückstellung, setzt – als Abgrenzung zur Aufwandsrückstellung – eine Verpflichtung gegenüber einem anderen voraus. Die Verpflichtung muss den Verpflichteten (Unternehmer) wirtschaftlich wesentlich belasten. Die Belastung ist nicht nach dem Aufwand für das einzelne Vertragsverhältnis, sondern nach der Bedeutung der Verpflichtung für das Unternehmen zu beurteilen.
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind erstmals im Jahresabschluss des Wirtschaftsjahres zu bilden, in dem sie wirtschaftlich verursacht sind. Die Erfüllung der Verpflichtung darf nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern muss auch Vergangenes abgelten.
4.3 Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme
Nach den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) muss für ungewisse Verbindlichkeiten eine Rückstellung gebildet werden. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit muss der Unternehmer damit rechnen, dass die Kosten entstanden sind und er hierfür in Anspruch genommen wird. Zusätzlich muss die wirtschaftliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag liegen.
Spätestens bei Bilanzaufstellung muss für den Unternehmer ernsthaft damit zu rechnen sein, aus der Verbindlichkeit in Anspruch genommen zu werden. Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ist aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen. Eine Inanspruchnahme ist wahrscheinlich, wenn nach den Umständen, die am Bilanzstichtag objektiv vorlagen und bis zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung bekannt oder erkennbar wurden, ernstlich damit zu rechnen ist, aus der Verpflichtung in Anspruch genommen zu werden. Der Unternehmer darf im Hinblick auf seine Inanspruchnahme nicht die pessimistischste Alternative wählen. Es müssen mehr Gründe für als gegen die Inanspruchnahme sprechen.
Eine Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme liegt vor, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen bis zum Tag der Bilanzaufstellung entdeckt sind.
4.4 Maßgebend ist der handelsrechtliche Wert
Aus dem Wortlaut des Einleitungssatzes zu § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG und der Erläuterung in der Gesetzesbegründung hierzu ist der handelsrechtlich zulässige niedrigere Wert für die Steuerbilanz maßgeblich.
Ist der Ausweis für die Rückstellung in der Handelsbilanz zulässigerweise niedriger als der nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG sich ergebende steuerliche Wert, so ist der Wert der Handelsbilanz für die Steuerbilanz maßgebend. Hierdurch kommt es zur Gleichstellung von Handels- und Steuerbilanzwerten, was aber auch zu einem höheren Steueraufkommen führt.
Von Bedeutung ist dies für Rückstellungen, die steuerlich nicht abzuzinsen sind. Wenn z. B. der handelsrechtlich abgezinste Rückstellungsbetrag regelmäßig niedriger ausfällt als der steuerrechtlich ermittelte Betrag, ist in diesem Fall der handelsbilanzielle Wert nunmehr die steuerliche Wertobergrenze.