Leitsatz
1. Das FA darf durch Verwaltungsakt gemäß § 251 Abs. 3 AO feststellen, dass ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist.
2. Der Steuerpflichtige ist auch dann wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt, wenn in einem Strafbefehl neben dem Schuldspruch eine Strafe bestimmt und die Verurteilung zu dieser Strafe vorbehalten worden ist.
3. Die Feststellung darf sich auf den Zinsanspruch beziehen, selbst wenn die strafrechtliche Verurteilung nicht wegen der Zinsen erfolgt ist.
Normenkette
§ 251 Abs. 3, § 370 AO, § 174 Abs. 2, § 290 Abs. 1 Nr. 1, § 302 Nr. 1 InsO, § 410 Abs. 3 StPO, § 59 StGB
Sachverhalt
Die Klägerin gab ihre Umsatzsteuererklärungen nicht oder erst verspätet ab. Das FA setzte im Anschluss an eine Außenprüfung in den geänderten Bescheiden die Umsatzsteuer gegen die Klägerin für mehrere Jahre neu fest. Die Umsatzsteuerbescheide wurden bestandskräftig. Nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens erließ das Amtsgericht (AG) einen Strafbefehl wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer nach § 370 Abs. 1 AO. Die Höhe der hinterzogenen Umsatzsteuer wurde im Strafbefehl angegeben; steuerliche Nebenleistungen waren nicht aufgeführt. Die Klägerin wurde gemäß § 59 StGB verwarnt und die Festsetzung der Gesamtgeldstrafe blieb für den Fall vorbehalten, dass sich die Klägerin binnen zwei Jahren nicht bewähre. Die Klägerin erhob keinen Einspruch. Durch Beschluss stellte das AG fest, dass es mit der Verwarnung im Strafbefehl sein Bewenden habe.
Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin wurden Umsatzsteuerforderungen (einschließlich Zinsen und Säumniszuschläge) zur Tabelle festgestellt. Nachdem die Klägerin der "Behauptung des Finanzamts" widersprochen hatte, dass diese Forderung von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen sei, stellte das FA mit Feststellungsbescheid die Umsatzsteuerforderungen (einschließlich Zinsen und Säumniszuschläge) als Insolvenzforderungen i.S.d. § 174 Abs. 2 InsO fest.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage nur insoweit statt, als das FA auch die Zinsen in die Feststellung zum Rechtsgrund einer Steuerhinterziehung einbezogen hatte (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.5.2017, 1 K 3539/16, Haufe-Index 11382348, EFG 2018, 235). Hiergegen richten sich die Revisionen der Klägerin und des FA.
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH auf die Revision des FA die Vorentscheidung aufgehoben, die Klage auch insoweit abgewiesen, als das FG der Klage stattgegeben hatte, und die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Hinweis
Steuerrecht und Insolvenzrecht sind bekanntermaßen nur sehr unzureichend aufeinander abgestimmt. Mit der Entscheidung des Streitfalls werden gleich mehrere steuer-/insolvenzrechtliche Fragen beantwortet:
1. Die Finanzbehörde, die einen Steueranspruch als Insolvenzforderung geltend macht, kann nach § 251 Abs. 3 AO"erforderlichenfalls" (wenn z.B. der Feststellung zur Tabelle widersprochen wird) die Insolvenzforderung durch Verwaltungsakt feststellen. Im Streitfall ergab sich daraus die Frage, ob mit einem solchen Verwaltungsakt der Finanzbehörde auch festgestellt werden darf, dass der Schuldner im Zusammenhang mit dieser Forderung wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist (solche Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners bleiben nach § 302 Nr. 1 3. Alternative InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung unberührt).
Der BFH hat diese Frage bejaht und sich dabei auf Rechtsprechung des BGH gestützt, der zufolge bei Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung i.S.d. § 302 Nr. 1 1. Alternative InsO ein isolierter Widerspruch gegen den Rechtsgrund möglich ist. Für die neu in die InsO eingefügte 3. Alternative des § 302 Nr. 1 InsO (rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerstraftat) gelte diese Rechtsprechung gleichermaßen. Habe der Insolvenzschuldner Widerspruch gegen den Rechtsgrund der Insolvenzforderung erhoben, könne der Gläubiger nach § 184 Abs. 1 Satz 1 InsO Klage auf Feststellung des Rechtsgrundes erheben. Für die Finanzbehörde als Insolvenzgläubiger bedeute dies, dass sie einen entsprechenden feststellenden Verwaltungsakt nach § 251 Abs. 3 AO erlassen könne. Rechtswegprobleme bestünden insoweit nicht, weil Finanzbehörde und FG nicht das Vorliegen einer Steuerstraftat, sondern allein eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat festzustellen hätten.
2. Die weitere Frage, ob auch ein gegen den Insolvenzschuldner ergangener Strafbefehl eine "Verurteilung" i.S.d. § 302 Nr. 1 3. Alternative InsO ist, hat der BFH unter Hinweis auf § 410 Abs. 3 StPO bejaht.
3. Ebenso wenig steht der Annahme einer "Verurteilung" entgegen, dass die Klägerin gemäß § 59 StGB verwarnt worden war und die Festsetzung der Geldstrafe für den Fall vorbehalten blieb, dass sie sich binnen zwei Jahren nicht bewähre. Auch insoweit stützte der BFH seine Entscheidung auf Rechtsprechun...