7.1 Grundsätze
Zusammen mit der Riester-Förderung wurde der Einstieg in die nachgelagerte Besteuerung für Leistungen aus den begünstigten Altersvorsorgeverträgen und aus bestimmten Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung vollzogen. Während die Beiträge in der Ansparphase durch Altersvorsorgezulagen und ggf. einem zusätzlichen Sonderausgabenabzug steuerlich unbelastet bleiben, ist die spätere Auszahlung aus den Altersvorsorgeverträgen und der betrieblichen Altersversorgung in voller Höhe steuerpflichtig. Es ist insoweit unerheblich, ob die Auszahlung als Einmalbetrag oder in Form lebenslänglicher Leistungen erfolgt. § 22 Nr. 5 EStG stellt eine nachgelagerte Besteuerung auch in denjenigen Fällen sicher, in denen die aus den erfassten Vorsorgeprodukten ausgezahlten Leistungen nicht auf geförderten Beträgen beruhen. Allerdings werden in diesem Fall maximal die noch nicht besteuerten Erträge und Wertsteigerungen steuerlich erfasst. Darüber hinaus werden auch die in einer geförderten selbst genutzten Immobilie gebundenen Mittel für die nachgelagerte Besteuerung herangezogen (Wohnförderkonto).
In bestimmten Fallkonstellationen – z. B. bei Leistungen aus einem ungeförderten Altersvorsorgevertrag in Form einer Rentenversicherung – können sich negative Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG ergeben. Diese können mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten verrechnet werden (horizontaler Verlustausgleich).
Bei Leistungen in Form von Teil- bzw. Einmalkapitalauszahlungen handelt es sich jedoch grundsätzlich nicht um außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 2 EStG (weder Entschädigung noch regelmäßig eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit). Dies gilt nach Ansicht des FG Köln auch, wenn eine Kleinbetragsrente vor dem 31.12.2017 abgefunden und ausgezahlt wird. Im Rahmen der gegen das Urteil eingelegten Revision hat der BFH den Fall zurückverwiesen. Das FG müsse noch prüfen, ob die Abfindung von Altersvorsorgeansprüchen für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch ist. Der Umstand, dass die Möglichkeit einer Kapitalabfindung bereits von Anfang an vorgesehen war oder nicht, stellt nur ein Indiz dar, das allenfalls gewisse Rückschlüsse darauf zulassen mag, ob eine Kapitalabfindung im betreffenden Lebens- oder Wirtschaftsbereich typisch oder atypisch ist. Dieser Umstand ist aber nicht von allein entscheidender Bedeutung.
Der BFH weist darauf hin, dass alleine die Kapitalisierungsmöglichkeit im Vertrag nicht dazu führt, dass eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausscheidet.
Erfolgt die Einmalauszahlung aus einer z. B. nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten betrieblichen Altersversorgung, dann kann es sich jedoch um die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i. S. d. § 34 EStG handeln. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes erfordert jedoch sowohl nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG als auch nach dem Einleitungssatz des § 34 Abs. 2 EStG zusätzlich die "Außerordentlichkeit" dieser Einkünfte; dies dient der Einschränkung des eher weit geratenen Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Eine solche Außerordentlichkeit ist allerdings bei einer Kapitalauszahlung aus einer nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten betrieblichen Direktversicherung nicht gegeben, sodass die Anwendung der Fünftelungsregelung ausscheidet.
Hierzu sind allerdings verschiedene Verfahren vor dem BFH anhängig. Diese betreffen die Fragen, ob
- die Auszahlung aus einer Direktversicherung, deren Beiträge nach § 3 Nr. 63 EStG als steuerfrei behandelt wurden, nach Ausübung eines vertraglich eingeräumten Kapitalwahlrechts mit der Fünftelungsregelung ermäßigt zu besteuern sind.
- die Außerordentlichkeit der Kapitalauszahlung aus einer Direktversicherung (= atypische Fallgestaltung) durch den Steuerpflichtigen statistisch zu belegen ist.
Ab dem 1.1.2018 hat der Gesetzgeber allerdings ausdrücklich geregelt, dass für Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen nach § 93 Abs. 3 EStG, also Abfindungen von Kleinbetragsrenten, die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG entsprechend anzuwenden ist. Es handelt sich insoweit um eine Fiktion, da die eigentlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 34 EStG nicht vorliegen. Nach zutreffender Auffassung des FG Berlin-Brandenburg hat die Gesetzesänderung daher für Veranlagungszeiträume vor 2018 keine Auswirkungen. Eine begünstigte Besteuerung der entsprechenden Kapitalabfindung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG scheidet für die Zeit vor dem 1.1.2018 nach Auffassung des Gerichts auch aus, da eine Vielzahl von Vertragsteilnehmern von Altersvorsorgeverträgen die gem. § 93 Abs. 3 EStG mögliche förderunschädliche Kapitalauszahlung in Anspruch genommen haben und diese Art der Vergütungsleistung damit nicht atypisch und nicht "außerordentlich" i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist.
Die ermäßigte Besteuerung kann daher ab dem 1.1.2018 für alle Abfindungen von Kleinbetragsrenten aus Altersvorsorgeverträgen in Anspruch genommen werden – unabhängig von den Daten des zugrundeliegenden Vertragsabschlu...