Als Grundlage für die Ableitung von Maßnahmen der Risikosteuerung müssen die identifizierten Risiken in einer zweiten Phase des Risikomanagementprozesses bewertet werden. Dabei gibt es Risiken, die quantitativ gemessen, und andere, die qualitativ beurteilt werden können.
3.4.1 Schritt 1: Festlegung der Bewertungskriterien
Hierfür sind Bewertungskriterien festzulegen. Beispiele hierfür sind:
- finanzielle Auswirkungen,
- Wirkung auf die Reputation des Unternehmens,
- Häufigkeit des Auftretens (ohne Kontrollen).
Die Häufigkeit des Auftretens liefert wichtige Anhaltspunkte, um später die Eintrittswahrscheinlichkeit beurteilen zu können.
3.4.2 Schritt 2: Ausprägung der Bewertungskriterien
Nachdem die Bewertungskriterien definiert sind, sind diese für jedes Risiko strukturiert auszuprägen (s. Abb. 6):
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niedrig |
mittel |
hoch |
sehr hoch |
(1) finanzielle Auswirkungen |
< 1 Mio. EUR |
1 Mio. EUR bis 5 Mio. EUR |
> 5 Mio. EUR und < 10 Mio. EUR |
> 10 Mio. EUR |
(2) Häufigkeit des Auftretens |
seltener als einmal pro Jahr |
einmal pro Quartal |
monatlich |
täglich |
(3) Wirkung auf die Reputation des Unternehmens |
lokal |
regional |
national |
global |
(4) … |
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Abb. 6: Strukturierung der Bewertungskriterien (Beispiel)
Vierstufige Skalierung
Zur einfachen Darstellung sollte sich das Unternehmen zunächst auf zwei Bewertungskriterien beschränken. In beiden Fällen ist es sinnvoll, eine vierstufige Skalierung zu wählen, da bei drei- oder fünfstufigen Skalierungen die Gefahr besteht, dass die bewertenden Mitarbeiter häufig eine mittlere Bewertung abgeben, was die Identifikation bestandsgefährdender Risiken erschwert. Dies ist bei einer vierstufigen Skala ausgeschlossen (s. Abb. 7 und Abb. 8).
Eintrittswahrscheinlichkeit (EW) (abgeleitet aus der Häufigkeit des Auftretens)
1 |
unwahrscheinlich |
EW < 20 % |
2 |
möglich |
EW 20 bis 50 % |
3 |
wahrscheinlich |
EW > 50 bis 80 % |
4 |
nahezu sicher |
EW > 80 % |
Abb. 7: Wahrscheinlichkeitsklassen mit vierstufiger Skalierung
Schadenshöhe (SH) (finanzielle Auswirkungen des Risikos)
1 |
gering |
SH < 50.000 EUR |
2 |
mittel |
SH 50.000 EUR bis 500.000 EUR |
3 |
schwerwiegend |
SH > 500.000 EUR bis 2.500.000 EUR |
4 |
bestandsgefährdend |
SH > 2.500.000 EUR |
Abb. 8: Schadensklassen mit vierstufiger Skalierung
Genauere Einstufungen können beispielsweise erreicht werden, wenn neben der Auswirkung auf das bilanzielle Eigenkapital zusätzlich die Auswirkung auf das Ergebnis festgestellt wird. Als Schwellenwert für die Bestandsgefährdung von Risiken könnte bei der Bezugsgröße "Ergebnis" (z. B. EBIT, Jahresüberschuss) ein Wert von × Prozent angenommen werden.
3.4.3 Schritt 3: Festlegung von Schwellenwerten
Definition von Schwellenwerten
Für die einzelnen Risiken ist festzulegen, wann diese als bestandsgefährdend eingestuft werden (z. B. wenn bei den Bewertungskriterien die Ausprägungen "hoch" und "sehr hoch" vergeben wurden).
3.4.4 Schritt 4: Bewertung durch die Teilnehmer des Workshops zur Risikobewertung
Die Bewertung erfolgt im Rahmen sog. Risikobewertungs-Workshops, die zunächst vorbereitet werden müssen. Im Workshop selbst werden vor der Bewertung die Grundlagen des Risikomanagements und die Bewertungsmethoden kurz erläutert.
Anhand der vorgegebenen Skalierungen für die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkung (Schadenshöhe) wird die Bewertung mittels einer vierstufigen Skala durchgeführt. Das heißt, die Ausprägungen der Merkmale sind in vier Stufen unterteilt, rein subjektiv aus Sicht des jeweiligen Teilnehmers mittels eines vorbereiteten Fragebogens. Eintrittswahrscheinlichkeit (EW) und Auswirkung (Schadenshöhe; SH) auf das Unternehmen sollen immer aus Gesamtunternehmenssicht beurteilt werden.
Aufnahme zusätzlicher Angaben
Es ist festzulegen, ob es zulässig sein soll, dass die Teilnehmer im Rahmen der Fragebogenaktion zusätzliche Angaben (z. B. weitere Problembereiche oder zusätzliche Maßnahmen) in ein zusätzlich in den Fragebogen aufzunehmendes Feld eintragen.
Mehrstufiger Bewertungsprozess
Bei der Risikobewertung werden drei Bewertungskategorien unterschieden, deren Ergebnisse im Risikofragebogen (siehe Risikoidentifizierung) dokumentiert werden:
Schritt 4.1: Bewertung vor Maßnahmen (Bruttorisiko)
Bruttobewertung
Bei der ersten Bewertung ist darauf zu achten, dass die genannten Angaben zu den Bewertungskriterien vor Berücksichtigung von Maßnahmen zur Risikosteuerung festgehalten werden. Der Grund liegt – wie schon bei der Risikoidentifizierung beschrieben – in der Sicherstellung der Vollständigkeit.
Die Markteinführung eines Nachfolgeprodukts, das die Anforderungen und Erwartungen des Marktes verfehlt, kann beispielsweise zu bedrohlichen Verlusten des Marktanteils führen:
- Finanzielle Auswirkungen: sehr hoch
- Häufigkeit des Auftretens: niedrig (Produktwechsel seltener als einmal im Jahr)
- Wirkung auf die Reputation des Unternehmens: sehr hoch
Täglich anfallender Ausschuss bei der Fertigung eines Massenprodukts
- Finanzielle Auswirkungen: niedrig
- Häufigkeit des Auftretens: hoch
- Wirkung auf die Reputation des Unternehmens: niedrig
Diese Informationen sollten als Ausgangsinformation – neben der Risikonummer, der Risikobezeichnung, der Risikobeschreibung und dem Risikoverantwortlichen – ebenfalls in den Risikokatalog aufgenommen werden. Zudem kann die Risik...