Rz. 41
Die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit des inländischen Grundbesitzes bzw. des Steuergegenstandes der Grundsteuer i. S. d. § 2 GrStG richtet sich bei der Feststellung von Grundsteuerwerten i. S. d. § 219 Abs. 2 Nr. 2 BewG nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise i. S. d. § 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO.
Wirtschaftsgüter sind gem. § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Übt jedoch ein anderer als der bürgerlich-rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den (bürgerlich-rechtlichen) Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO als sog. wirtschaftlicher Eigentümer zuzurechnen. Ein wirtschaftlicher Ausschluss im vorstehenden Sinne liegt vor, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers besteht oder der Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat.
Für die Zurechnung einer wirtschaftlichen Einheit des inländischen Grundbesitzes gem. § 219 Abs. 2 Nr. 2 BewG kommt es somit vorrangig auf das wirtschaftliche Eigentum an.
Rz. 42
Der bürgerlich-rechtliche Eigentümer ergibt sich i. d. R. aus dem Grundbuch, da zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gem. § 873 BGB die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für den rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb.
In bestimmten Fällen kann sich der Eigentumswechsel jedoch auch ohne Grundbucheintragung vollziehen. Zu nennen sind hierbei insbesondere die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge. So geht das Eigentum auf den neuen Eigentümer beim Erbfall mit dem Tod des Erblassers (§§ 1922 Abs. 1, 1942 Abs. 1 BGB) und bei Umwandlungsvorgängen, wie Verschmelzungen, Ausgliederungen und Spaltungen, am sog. steuerlichen Übertragungsstichtag gem. § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG über. In Fällen der Einzelrechtsnachfolge kann das Eigentum ohne Grundbucheintragung, insbesondere bei der Zwangsversteigerung mit dem Zuschlagsbeschluss (§ 90 ZVG) oder im Flurbereinigungsverfahren mit dem in der Ausführungsanordnung festgesetzten Tag (§ 61 FlurbG) übergehen (s. aber Rz. 43).
Bei sog. herrenlosen Grundstücken kann der Eigentümer nach § 928 Abs. 1 BGB das Eigentum an einem Grundstück dadurch aufgegeben, in dem er gegenüber dem Grundbuchamt den Eigentumsverzicht erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird (§ 10 GrStG Rz. 13).
Rz. 43
Sofern im Feststellungszeitpunkt das bürgerlich-rechtliche Eigentum noch nicht auf den neuen Eigentümer übergangen ist (Rz. 42), genügt – aufgrund des Vorrangs des wirtschaftlichen Eigentums i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO (Rz. 41) – für eine bewertungsrechtliche Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit auf den wirtschaftlichen Eigentümer bereits die Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums.
In der Praxis tritt dieser Fall, insbesondere im Zusammenhang mit dem rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb an Grundstücken ein. Das bürgerlich-rechtliche Eigentum an dem Grundstück erlangt der Erwerber gem. § 873 Abs. 1 BGB erst mit der Eintragung in das Grundbuch (Rz. 42). Das wirtschaftliche Eigentum geht nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch bereits im Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten (Lastenwechsel) auf den Erwerber (Käufer) über. Dahinter steht die Überlegung, dass der wirtschaftliche Eigentümer objektiv diejenige Herrschaft ausübt, die ansonsten vom Eigentum ausgeht. Um die wirtschaftlichen Folgen des Grundstücksverkaufs – unabhängig vom ungewissen Zeitpunkt der Eigentumseintragung im Grundbuch – sicher gestalten zu können, vereinbaren die Vertragsparteien im Kaufvertrag regelmäßig einen Zeitpunkt, ab dem Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten (Lastenwechsel) auf den Käufer übergehen soll. Gehen Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten unterjährig auf den Erwerber über, erfolgt die Zurechnung – ggf. im Wege einer Zurechnungsfortschreibung gem. § 222 Abs. 2 BewG – unter der Prämisse des Stichtagsprinzips bei der Grundsteuer erst auf den Beginn des folgenden Kj. (§ 10 GrStG Rz. 12).
Bei Flächen in Flurbereinigungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) ist nach Verwaltungsauffassung grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums im Rahmen der vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG abzustellen. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums kann ausnahmsweise in einem früheren Stadium vor einer Besitzeinweisung i. S. d. § 65 FlurbG in Betracht kommen, wenn der Fall der §§ 52, 53 FlurbG gegeben ist; hier ist der Zeitpunkt der Unwiderruflichkeit der Zustimmung zum Landabfindungsverzicht (Zugang der Erklärung bei der zuständigen Flurbereinigungsbehörde) maßgebend.
Die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks, wie Mieter oder Pächter, sind grundsätzlich keine wirtschaftlichen Eigentümer. Dies gilt im Normalfall...