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In § 249 Abs. 10 BewG wird erstmals der Begriff der Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne für Zwecke der Grundsteuer bestimmt, der die typologische Umschreibung des bewertungsrechtlichen Begriffs der Wohnung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung übernimmt. Der Wohnungsbegriff erlangt bei der Abgrenzung der Grundstücksarten in den Fällen Bedeutung, in denen es auf das Vorhandensein einer Wohnung oder die Anzahl der Wohnungen ankommt, wie insbesondere bei den Ein- und Zweifamilienhäusern.
Nach § 249 Abs. 10 BewG setzt eine Wohnung
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Einheitsbewertung handelt es sich beim Wohnungsbegriff nicht um einen Klassenbegriff, sondern um einen Typusbegriff, der nur umschrieben, aber nicht definiert werden kann. Infolgedessen können die einzelnen Merkmale des Wohnungsbegriffs im Einzelfall auch in geringerem oder größerem Umfang erfüllt sein. Unter Umständen können sie sich sogar substituieren. Mit der Verwendung der Begrifflichkeiten wie "in der Regel" oder "soll" hat der Gesetzgeber dieser Rechtsauffassung Rechnung getragen. Infolgedessen unterscheidet sich der Wohnungsbegriff in § 249 Abs. 10 BewG von der eher als Klassenbegriff ausgestalteten Definition der Wohnung für die Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer in § 181 Abs. 9 BewG.
Bei der Auslegung der einzelnen Merkmale des Wohnungsbegriffs ist insbesondere die Verkehrsauffassung von Bedeutung; also die Anschauung, die urteilsfähige und unvoreingenommene Bürger von einer Sache haben oder gewinnen, wenn sie mit ihr befasst werden. Insbesondere die Fragen, ob in einer Mehrheit von Räumen die Führung eines selbstständigen Haushalts möglich ist, und welche Mindestwohnfläche für eine Wohnung erforderlich ist, entscheiden sich nach der Verkehrsauffassung.
Trotz der typologischen Umschreibung des Wohnungsbegriffs für Zwecke der Grundsteuer hat sich der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum Grundsteuer-Reformgesetz insbesondere mit der Mindestgröße einer Wohnung intensiv auseinander gesetzt. Der Bundesrat hatte sich in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes im Interesse einer Rechtsvereinheitlichung mit der Regelung zur Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer in § 181 Abs. 9 S. 4 BewG dafür ausgesprochen, die Mindestgröße für eine Wohnung auch in § 249 Abs. 10 S. 4 BewG auf 23 Quadratmeter festzulegen. Im Ergebnis des parlamentarischen Verfahrens wurde die im Hinblick auf den breiteren Anwendungsbereich bei der Grundsteuer abweichende Regelung zur Mindestgröße einer Wohnung in § 249 Abs. 10 S. 4 BewG jedoch nicht geändert, sodass die Wohnfläche einer Wohnung bei der Grundsteuerbewertung – nur – mindestens 20 m² betragen soll. Nach dieser offenen Definition ist letztlich nach der Verkehrsauffassung zu entscheiden, welche Mindestfläche im Einzelfall vorhanden sein muss. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist z. B. für Wohnungen in Ein- oder Zweifamilienhäusern unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung allgemein eine größere Wohnfläche als für Apartments in einem Studentenwohnheim oder in einem Altenwohnheim zu fordern, da, anders als in den genannten Wohnheimen, zentrale Versorgungseinrichtungen und gemeinsame Aufenthaltsräume regelmäßig fehlen. Wenn dies der Verkehrsauffassung entspricht, ermöglicht § 249 Abs. 10 BewG im Einzelfall auch bei Wohnflächen von weniger als 20 m² noch von einer Wohnung auszugehen (z. B. bei sog. Tiny-Häusern, d. h. Kleinst- oder Mikrohäusern).
Nach der Verkehrsauffassung wird das Bild einer Wohnung im Übrigen wesentlich durch die örtlichen Verhältnisse mitbestimmt. So können z. B. an eine Wohnung in einem Altenheim oder Altenwohnheim, in dem die Hauptmahlzeiten regelmäßig nicht mehr in der Wohnung selbst zubereitet werden, geringere Anforderungen gestellt werden als an eine Wohnung in einem Ein- oder Zweifamilienhaus. Nicht erforderlich ist, dass die Wohneinheit baulich auf die typischen Bedürfnisse einer Familie zugeschnitten ist und mehrere Bewohner darin tatsächlich einen gemeinsamen Haushalt führen. Die als Wohnung in Betracht kommenden Räumlichkeiten müssen aber eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit mit eigenem Zugang bilden. Entscheidend ist, dass fremde Dritte keinen freien Zugang haben. Von einer Wohnung kann bewertungsrechtlich nicht mehr au...