Rz. 18
Ein Erlass der Grundsteuer nach § 34 GrStG setzt des Weiteren gem. § 34 Abs. 1 S. 1 und 2 GrStG voraus, dass der Steuerschuldner die Minderung des tatsächlichen Rohertrags (s. Rz. 11ff.) nicht zu vertreten hat.
Hierin liegt häufig die Krux der Erlassregelung, denn in Fällen wird sich die Ertragsminderung letztlich auf ein Verhalten des Steuerschuldners (Grundstückseigentümers) zurückführen lassen. In der Praxis sollte daher zweckmäßigerweise zunächst die Frage des "Vertetenmüssens" geklärt werden, bevor beispielsweise arbeitsintensiv das Ausmaß der Erlassminderung (s. Rz. 15) ermittelt wird.
Ein Steuerschuldner hat eine Ertragsminderung nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereiches liegen, d. h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (negatives Tatbestandsmerkmal: "(Nicht)-Vertretenmüssen" der Rohertragsminderung). Der außerhalb seines Einflussbereichs liegende Umstand muss ursächlich für die Ertragsminderung sein. Dagegen hat der Steuerschuldner für Umstände einzustehen, die er selbst aufgrund freier Willensentschließung herbeigeführt hat, sei es durch Tun oder Unterlassen.
Der Begriff des "Vertretenmüssens" i. S. d. § 34 GrStG ist weit auszulegen. Er ist insbesondere nicht gleichzusetzen mit dem bürgerlich-rechtlichen "Verschulden", also mit Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Dass ein fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten, welches eine Ertragsminderung verursacht hat, nicht zum Erlass der ohnehin allein auf den Wert des Grundbesitzes gelegten und damit ertrags- und verhaltensunabhängigen Objektsteuer führen kann, versteht sich von selbst. An das "Nichtvertreten" des § 34 Abs. 1 GrStG sind daher höhere Anforderungen zu stellen als die bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Ausgehend davon, dass es sich bei § 34 Abs. 1 S. 1 GrStG um eine Billigkeitsregelung handelt, bietet es sich an, den Begriff des "Vertretenmüssens" stets auch vor dem Hintergrund der Frage auszulegen, ob es aufgrund des vorangegangenen Verhaltens des Steuerschuldners schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen. Bei der Auslegung des § 34 GrStG ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, die mit Rücksicht auf die Eigenart der Grundsteuer als grundsätzlich ertragsunabhängige Objektsteuer eng auszulegen ist (s. § 32 GrStG, Rz. 1).
Für die Beurteilung des "Vertretenmüssens" ist ausschließlich auf den Erlasszeitraum abzustellen.
Besteht eine wirtschaftliche Einheit aus zahlreichen verschieden ausgestatteten, zu unterschiedlichen Zwecken nutzbaren und getrennt vermietbaren Räumlichkeiten und sind die marktgerechten Mieten für die einzelnen Raumeinheiten unterschiedlich hoch, ist für jede nicht vermietete Raumeinheit gesondert zu prüfen, ob der Steuerpflichtige den Leerstand zu vertreten hat. Hat der Steuerpflichtige die Minderung des normalen Rohertrags lediglich für einzelne Raumeinheiten, die flächenmäßig und wertmäßig untergeordnete Bedeutung haben, zu vertreten, rechtfertigt dies für sich genommen nicht die Ablehnung des Grundsteuererlasses.
Das Tatbestandsmerkmal des "Vertretenmüssens" war bereits häufig Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen zwischen Steuerschuldner und den Gemeinden als Steuergläubiger. Infolgedessen wird es durch eine umfangreiche Finanz- und Verwaltungsrechtsprechung geprägt (s. Rz. 18).
Rz. 19
Ist eine Ertragsminderung des bebauten Grundstücks durch einen Leerstand infolge mangelnder Mietnachfrage bedingt, so hat der Steuerschuldner die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich in ortsüblicher Weise nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Zins bemüht hat. Hierzu muss der Steuerschuldner zumindest versuchen, den Kreis potenzieller Interessent en möglichst umfassend zu erreichen. Ob und ggf. in welcher Form leerstehende Mieträume beworben werden müssen, damit der Steuerschuldner sich nachhaltig um die Vermietung der Räume bemüht und deshalb die auf dem Leerstand beruhende Ertragsminderung nicht zu vertreten hat, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls. Im Einzelnen können beispielsweise der Objektcharakter, der Objektwert, das jeweilige Marktsegment sowie die Marktsituation vor Ort berücksichtigt werden. Bei leerstehenden Gewerbeimmobilien wird in der Regel eine –überregionale – Bewerbung der leerstehenden Gewerberäume über das Internet erwartet.
Besteht eine wirtschaftliche Einheit aus zahlreichen verschieden ausgestatteten, zu unterschiedlichen Zwecken nutzbaren und getrennt vermietbaren Räumlichkeiten und sind die marktgerechten Mieten für die einzelnen Raumeinheiten unterschiedlich hoch, ist für jede nicht vermietete Raumeinheit gesondert zu prüfen, ob der Steuerp...