Leitsatz
Die Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts wegen irreparabler Vertragsstörungen stellt kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar.
Normenkette
§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Die Kläger, zur ESt zusammen veranlagte Eheleute, erwarben 1997 von einem Bauträger für einen Festpreis von 230.000 DM eine noch zu errichtende und nach Fertigstellung vermietete Eigentumswohnung. Im Juli 2000 forderten sie den Bauträger unter Fristsetzung auf, die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu ihren Gunsten zu bewirken; eine Erfüllung nach Fristablauf lehnten sie ab. Nach fruchtlosem Fristablauf und der Insolvenz des Bauträgers forderten die Kläger vom Bürgen, der H-Bank, Schadenersatz in Höhe des Kaufpreises, den die Bank Zug um Zug gegen Herausgabe der Wohnung leistete.
Im ESt-Bescheid 2000 beurteilte das FA Erwerb und Herausgabe als privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Unter Berücksichtigung der in den Jahren 1998 bis 2000 in Anspruch genommenen AfA ermittelte es einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von 20.381 DM. Der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG statt. Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Rückabwicklung des Grundstückkaufvertrags kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft ist. Unstreitig seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. erfüllt gewesen. Infolgedessen könne dahinstehen, ob die Kläger den Betrag als Schadenersatz vereinnahmt oder hiermit lediglich ihre Gegenleistung zurückerhalten hätten.
Gegenteiliges folge weder aus der Herausgabe der Wohnung an die H-Bank als Bürgen noch aus der Verteilung von Nutzen und Lasten während des zweijährigen Besitzes der Wohnung. Denn zum einen sei die H-Bank bereits mit ihrer Bürgschaftserklärung in das spätere Rückabwicklungsverhältnis einbezogen worden. Zum anderen seien die den Klägern verbliebenen Mieteinnahmen und die von ihnen getragenen Betriebskosten und AfA lediglich Ausdruck der Tatsache, dass das wirtschaftliche Eigentum übergegangen sei; sie änderten aber nichts an der Rückabwicklung des irreparabel gestörten Vertragsverhältnisses.
Hinweis
1. Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder ihnen gleichgestellten Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Es handelt sich hierbei um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt und mit dessen Veräußerung endet (BFH, Beschluss vom 16.12.2003, IX R 46/02, BFH-PR 2004, 180).
2. Als Anschaffung und Veräußerung werden im Regelfall der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person aufgefasst. Darüber hinaus können aber auch andere marktoffenbare Vorgänge als Veräußerung i.S.v. § 23 Abs. 1 EStG zu beurteilen sein, etwa der Tausch eines Fremdwährungsguthabens oder das Glattstellungsgeschäft, mit dem ein Optionsberechtigter sich von seiner Option, die er nach den Handelsbedingungen der Börse nicht an Dritte veräußern kann, trennt und dadurch auf dem einzig möglichen Vertragsweg die Werterhöhungen des Wirtschaftsguts realisiert (BFH, Urteil vom 24.6.2003, IX R 2/02, BFH-PR 2003, 410).
3. Dabei treten die Rechtsfolgen des § 23 Abs. 1 EStG auch dann ein, wenn die Eigentumsübertragung zivilrechtlich unwirksam ist (a.A. noch RFH, Urteil vom 1.2.1933, VI A 516/32, RStBl 1933, 424; FG Düsseldorf, Urteil vom 7.5.1957, II 234/56 E, EFG 1957, 364; Riewald, Reichsabgabenordnung und Steueranpassungsgesetz, Teil I, 1941, § 11 StAnpG Anm. 1), weil für eine Anschaffung i.S.d. Vorschrift bereits die Übertragung wirtschaftlichen Eigentums gem. § 39 AO – wie im Streitfall – ausreichend ist (vgl. BFH, Beschluss vom 16.4.1998, X B 207/97, BFH/NV 1998, 1352; BFH, Urteil vom 19.10.1971, VIII R 84/71, BStBl II 1972, 452 m.w.N.).
4. Eine Veräußerung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt jedoch nicht vor, wenn sich das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft lediglich in ein Abwicklungsverhältnis verwandelt (Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 57; Kube in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 23 Rn. 17; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 25. Aufl., § 23 Rz. 49 – ausdrücklich nur zum Rücktritt; P. Fischer, FR 2000, 393, 394; vgl. auch BFH, Urteil vom 15.12.1993, X R 49/91, BStBl II 1994, 687). Denn die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsguts stellt hierbei keinen gesonderten marktoffenbaren Vorgang, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar (BGH, Urteil vom 17.11.2005, III ZR 350/04, NJW 2006, 499).
Insoweit liegt keine Abweichung zum Urteil des I. Senats vom 21.10.1999, I R 43, 44/98 (BStBl II 2000, 424) vor. Denn die Beurteilung der Rückübertragung von Ges...