Leitsatz
1. In einem Rückforderungsverfahren trägt zwar grundsätzlich derjenige die Feststellungslast, der eine Rückzahlung verlangt. § 11 MOG erlegt jedoch die Feststellungslast auch nach Empfang einer Vergünstigung bis zum Ablauf des vierten Jahres, das dem Kalenderjahr der Gewährung folgt, dem Ausführer auf, soweit nicht der Verantwortungsbereich des HZA betroffen ist. In dessen Verantwortungsbereich fällt nicht, dass diesem nicht aufgrund betrügerischer Machenschaften des Ausführers oder seiner Geschäftspartner, für deren Auswahl und Tun jener verantwortlich ist, gefälschte Einfuhrnachweise vorgelegt werden oder dass Fälschungen sogleich erkannt werden.
2. Ein Ausführer, der der Behörde gefälschte Dokumente vorgelegt hat, um von ihr Ausfuhrerstattung zu erhalten, wird vom Gemeinschaftsrecht gegenüber einer Rückforderung nicht dadurch geschützt, dass die Erstattung nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 4 VO Nr. 800/1999 zurückgefordert werden kann. Art. 20 Abs. 4 VO Nr. 800/1999 ist keine die Rückforderung differenzierter Ausfuhrerstattung abschließend regelnde und deshalb Art. 52 VO Nr. 800/1999 verdrängende Vorschrift.
Normenkette
Art. 20 Abs. 4, Art. 52 VO (EG) Nr. 800/1999, § 11 MOG
Sachverhalt
Ein Unternehmen hatte Käse ausgeführt, der in den Kosovo gehen sollte. Es hatte dafür Ausfuhrerstattungen erhalten. Die dabei zum Nachweis der Einfuhr in den Kosovo vorgelegten Zolldokumente waren jedoch gefälscht. Das HZA hat deshalb die Ausfuhrerstattung zurückgefordert und gegen das Unternehmen eine Sanktion festgesetzt, ferner Zinsen.
Die Anfechtungsklage des Unternehmens hatte keinen Erfolg (FG Hamburg, Urteil vom 12.2.2010, 4 K 227/08, Haufe-Index 2332608).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet abgewiesen. Es sei unerheblich, dass die Klägerin von der Fälschung der von ihr dem HZA vorgelegten Dokumente nichts gewusst haben möge, diese möglicherweise sogar bei sorgfältigerer Prüfung – auch der Seriosität ihres Abnehmers – nicht hätte erkennen können oder die Möglichkeit einer solchen Fälschung auch nur zumindest hätte in Betracht ziehen müssen; auch dass die Klägerin sich möglicherweise gegen die Folgen solcher Manipulationen nicht wirksam hätte schützen können, ändere nichts daran, dass sie zu Unrecht Ausfuhrerstattung beantragt und erhalten hat.
Es gehört auch zu den gewöhnlichen, von einem Ausführer hinzunehmenden Risiken, dass sich seine Vertragspartner (insbesondere der Abnehmer seiner Ware) vertragswidrig verhalten; es stellt also keinen Fall höherer Gewalt dar, wenn das Risiko eintritt.
Auch etwaige Unzulänglichkeiten der Zollverwaltung im Empfängerland (Kosovo) rechtfertigen es nicht, Ausfuhrerstattung zu gewähren, ohne dass deren Voraussetzungen nachgewiesen sind.
Hinweis
1. Nach Art. 52 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 800/1999 hat der Begünstigte, dem eine Erstattung zu Unrecht gewährt wurde, den erhaltenen Betrag zuzüglich Zinsen für die Zeit zwischen der Gewährung der Erstattung und ihrer Rückzahlung zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungspflicht wird dadurch ergänzt, dass der Begünstigte nach Art. 51 Abs. 1 und 4 VO Nr. 800/1999 die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung als Verwaltungsstrafe zusätzlich zu zahlen hat, wenn festgestellt wird, dass er eine höhere als die ihm zustehende Ausfuhrerstattung beantragt hat.
2. In einem Rückforderungsverfahren hat grundsätzlich derjenige die Feststellungslast, der eine Rückzahlung verlangt. Nach § 11 MOG trägt hingegen die Feststellungslast auch nach Empfang einer Vergünstigung der Ausführer bis zum Ablauf des vierten Jahres, das dem Kalenderjahr der Gewährung folgt. Dies gilt, soweit nicht der Verantwortungsbereich des HZA betroffen ist; nicht in deren Veranwortungsbereich fällt, dass das das HZA betrügerische Machenschaften nicht sogleich erkennt.
3. Feststellungslast für die Rückforderungsvoraussetzungen bedeutet im Übrigen nicht etwa, dass das HZA nachweisen muss, dass die ausgeführte Ware nicht möglicherweise doch in das Bestimmungsland (hier: Kosovo) eingeführt worden ist. Vielmehr bedeutet es lediglich, dass das HZA eine Rückzahlung der Ausfuhrerstattung dann nicht verlangen kann, wenn sich nicht feststellen lässt, ob die für die Einfuhr vorgelegten Dokumente echt oder gefälscht sind. Denn die Zolldokumente, deren Vorlage Art. 16 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 800/1999 verlangt, sind nicht nur ein Beweismittel für eine erstattungserhebliche Tatsache, sondern selbst eine Erstattungsvoraussetzung.
4. Art. 20 Abs. 4 VO Nr. 800/1999 ist keine, die Rückforderung differenzierter Ausfuhrerstattung abschließend regelnde und deshalb Art. 52 VO Nr. 800/1999 verdrängende, Vorschrift.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 23.10.2012 – VII R 8/10