Leitsatz
1. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat.
2. Der Erwerber verwertet seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag, wenn er durch seine Unterschrift unter den Vertrag über die Aufhebung des Grundstückskaufvertrags mit einer grundbesitzenden Gesellschaft bestimmen kann, wer die Anteile an dieser Gesellschaft erwerben darf. Der Anteilserwerb selbst muss nicht steuerbar sein.
Normenkette
§ 16 GrEStG
Sachverhalt
Die A-GmbH war Eigentümerin eines Gebäudes, das sie auf einem gemieteten Grundstück errichtet hatte und an ein Logistikunternehmen weitervermietete. Die Klägerin war eine niederländische Kapitalgesellschaft (BV). Im August 2013 erwarb die Klägerin von der A-GmbH das Eigentum an dem Gebäude. In dem notariellen Vertrag war sinngemäß vorgesehen, dass die Klägerin vorbehaltlich der Zustimmung der Grundstückseigentümerin anstelle der A-GmbH in den bestehenden Mietvertrag eintreten sollte. Andernfalls bestand ein Rücktrittsrecht. Für den Erwerb des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden setzte das FA Grunderwerbsteuer fest.
Allerdings lehnte die Grundstückseigentümerin den Mietvertrag mit der Klägerin letztlich ab. Daraufhin hoben mit Vereinbarung vom Dezember 2013 die A-GmbH und die Klägerin den Erwerbsvertrag auf. In derselben Urkunde veräußerten die Gesellschafter der A-GmbH 94 % der Gesellschaftsanteile an der A-GmbH an eine Holding-BV, die Muttergesellschaft der Klägerin. Das FA lehnte eine Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung mangels wirtschaftlicher Rückgängigmachung des Kaufvertrags ab. Die Vorinstanz (FG Hamburg, Urteil vom 1.2.2016, 3 K 130/15, Haufe-Index 9250522, EFG 2016, 743) gab dagegen der Klägerin recht.
Entscheidung
Der BFH hat auf die Revision des FA die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der BFH betont, dass ein Erwerbsvorgang nur dann "rückgängig gemacht" ist, wenn der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt hat.
Dem früheren Erwerber verbleibt eine schädliche Möglichkeit der Verwertung aus dem Erwerbsvorgang jedenfalls dann, wenn Aufhebungs- und Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind und der Erwerber dadurch die Möglichkeit hat, die Aufhebung des Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritten Person zu nutzen.
Die gleichen Grundsätze wie bei einer solchen Weiterveräußerung gelten, wenn die Verkäuferin eine Gesellschaft ist, der Kaufvertrag rückgängig gemacht wird und in derselben Urkunde die Anteile an der Gesellschaft auf den Erwerber übertragen werden. Hierfür reicht aus, dass der Erwerber durch seine Unterschrift bestimmen kann, wer die Anteile an der Gesellschaft erwerben darf.
Es ist nicht Voraussetzung für den Ausschluss des § 16 GrEStG, dass mit dem erneuten Vertragsschluss ein Grunderwerbsteuertatbestand erfüllt wird.
Hinweis
Der Besprechungsfall handelt von § 16 GrEStG, einer speziellen Änderungsvorschrift: Fällt ein Erwerbsvorgang weg oder ändert sich die Bemessungsgrundlage, so steht dem Steuerpflichtigen unter weiteren Voraussetzungen ein Anspruch auf Aufhebung bzw. Änderung der Grunderwerbsteuerfestsetzung zu. Die Vorschrift erfasst in Absatz 1 die Rückgängigmachung des schuldrechtlichen Geschäfts; Absatz 2 regelt den Rückerwerb des Eigentums. § 16 Abs. 3 GrEStG schließlich gibt einen Änderungsanspruch, wenn die Gegenleistung für ein Grundstück – beispielsweise aufgrund eines Sachmangels – herabgesetzt wird. Wichtig ist, dass eine Aufhebung bzw. Änderung nicht in Betracht kommt, wenn der betroffene Erwerbsvorgang nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig gemäß §§ 18 ff. GrEStG angezeigt war, § 16 Abs. 5 GrEStG.
Ein Aufhebungsanspruch besteht nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, wenn das schuldrechtliche Rechtsgeschäft, das zur Entstehung des Grunderwerbsteueranspruchs geführt hat, innerhalb von 2 Jahren durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird. Zur Rückgängigmachung in diesem Sinn gehört zweifelsohne die rechtliche Aufhebung des Verpflichtungsgeschäfts. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal muss jedoch auch eine "wirtschaftliche" Aufhebung erfolgen. Dies bedeutet, dass der Grundstücksveräußerer wirtschaftlich wieder in seine Ausgangsposition einrücken muss und der Erwerber keinerlei Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag mehr verwerten kann.
Hierbei handelt es sich um eine in der Praxis und auch im Besprechungsfall bedeutsame Einschränkung. Denn der Ersterwerber wird häufig ein Interesse daran haben, wer nach Aufhebung des Kaufvertrags Zweiterwerber eines Grundstücks wird. Im Besprechungsfall scheiterte der Kauf eines Grundstücks von einer GmbH; daraufhin erwarb die Grundstückskäuferin – die Klägerin – anstelle des Grundstücks der GmbH 94 % der Anteile an dieser Gesellschaft. Streitig und letztlich zu verneinen war die Frage, ob der ursprüngliche Kaufvert...