3.1 Ermittlung des nominellen Verpflichtungsbetrags
Die Bewertung von Rückstellungen ist in § 253 Abs. 1 und 2 HGB geregelt. Zweifelsfragen hat das IDW im RS HFA 34 konkretisiert. Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags der Verpflichtung anzusetzen. Die Höhe der Rückstellungen richtet sich also nach den Aufwendungen, die im Zeitpunkt der Erfüllung voraussichtlich entstehen werden. D. h., dass künftige Preis- und Kostensteigerungen bei der Bewertung der Rückstellungen einzubeziehen sind.
Die künftigen Preis- und Kostensteigerungen müssen geschätzt werden. D. h. aber nicht, dass die Werte willkürlich angesetzt werden können. Es besteht z. B. die Möglichkeit, sich an den Inflationserwartungen zu orientieren. Bei Lohnaufwand sind die Lohnsteigerungen anhand von Erfahrungswerten des Unternehmens oder der entsprechenden Branche anzusetzen.
Umsatzsteuerbeträge, die später als Vorsteuer abgezogen werden können, sind nicht einzubeziehen. Grundsätzlich ist bei einer Rückstellungsbewertung das Gebot der Einzelbewertung zu beachten.
3.2 Abzinsung von Rückstellungen
Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als 1 Jahr sind nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB abzuzinsen. Dazu sind neben dem nominellen Verpflichtungsbetrag die beiden Parameter
- Abzinsungszinssatz und
- Restlaufzeit
zu bestimmen. Mithilfe dieser Parameter ist der Barwert des nominellen Verpflichtungsbetrags zu berechnen. Der so ermittelte, abgezinste nominelle Verpflichtungsbetrag (= Barwert) entspricht dem Erfüllungsbetrag.
Die Abzinsung von Rückstellungen erfolgt nach IDW RS HFA 34, Rz. 34 f. auch für verzinsliche Verpflichtungen. Die bei Fälligkeit anfallenden Zinsen sind in die Ermittlung des nominellen Verpflichtungsbetrags der Verpflichtung einzubeziehen. Als Beispiel nennt IDW RS HFA 34, Rz. 34, Zinsen auf am Bilanzstichtag strittige Schadensersatzverpflichtungen und Prozesskosten.
3.2.1 Abzinsungssatz
Die Abzinsung ist mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 Geschäftsjahre entsprechend der Restlaufzeit der Rückstellung vorzunehmen.
Die Zinssätze gem. § 253 Abs. 2 HGB werden von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) mit 2 Nachkommastellen ermittelt und auf ihrer Website bekannt gemacht.
3.2.2 Restlaufzeit
Die Restlaufzeit ist eine wichtige Größe im Zuge der Wertermittlung einer Rückstellung, denn
- über die Dauer der Restlaufzeit sind Kostensteigerungen bei der Ermittlung des nominellen Verpflichtungsbetrags zu berücksichtigen,
- entsprechend der Restlaufzeit ist der Zinssatz für die Abzinsung der Rückstellung als "restlaufzeitadäquater" Zinssatz zu bestimmen und
- über diesen Zeitraum hat die Abzinsung (bzw. die Berechnung des Abzinsungsfaktors) zu erfolgen.
Die Restlaufzeit von Verpflichtungen entspricht nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB dem Zeitraum zwischen dem aktuellen Abschlussstichtag und dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme aus der Verpflichtung. Ein konkreter Zeitpunkt lässt sich z. B. bestimmen bei Gratifikations- und Jubiläumsverpflichtungen oder Abfindungsverpflichtungen.
In vielen Fällen lässt sich der Zeitpunkt der Inanspruchnahme jedoch nicht zeitpunktgenau ableiten. In diesen Fällen ist der Zeitpunkt daher zu schätzen. Dabei ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem das Unternehmen frühestens in Anspruch genommen werden kann. Dementsprechend ist bei vertraglichen Verpflichtungen, bei denen ein Kündigungsrecht durch den Bilanzierenden besteht, nach IDW HFA 34.38 auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Bilanzierende das Vertragsverhältnis frühestens kündigen kann.
3.2.3 Änderung der Berechnungsparameter
Der bilanzielle Wertansatz von abgezinsten Rückstellungen ist jährlich allein schon deshalb neu zu berechnen, da der Barwert mit der um den Zeitfortschritt veränderten Restlaufzeit (neu) berechnet werden muss. Dabei sind Änderungen der Bewertungsparameter
- nomineller Verpflichtungsbetrag,
- Abzinsungssatz und
- Restlaufzeit
ebenfalls zu berücksichtigen.
Die durch die Deutsche Bundesbank ermittelten Zinssätze sind laufzeitadäquate Zinssätze. Dadurch kommt es bei der jährlichen Neuberechnung der Rückstellung zum Bilanzstichtag i. d. R. zu einer Änderung des für die Berechnung zugrunde zu legenden Zinssatzes. Denn allein aufgrund der Reduzierung der Restlaufzeit durch Zeitablauf ist bei normaler Zinsstruktur (auch bei unverändertem Zinsniveau) ein anderer Zinssatz anzuwenden als im Vorjahr.
Nach § 277 Abs. 5 HGB müssen Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften i. S. d. § 264a HGB Effekte aus der Auf- und Abzinsung von Rückstellungen in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten "Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge" bzw. "Zinsen und ähnlic...