Leitsatz
Die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste setzt voraus, dass das zu beurteilende Vertragsverhältnis mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Verpflichtungsüberschuss erwarten lässt.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 6 EStG , § 15 EStG
Sachverhalt
Das Urteil erging in dem Rechtsstreit einer Bank, der BIAO mit Sitz in Paris. Die BIAO unterhielt in Hamburg eine Zweigniederlassung, die ein Kreditinstitut betrieb. In dem Rechtsstreit ging es um die Gewerbesteuer dieser Zweigniederlassung und hierbei konkret um Verluste aus der Risikounterbeteiligung der Bank, die diese rückstellen wollte. Das FA lehnte das ab; es fehle an der zu erwartenden Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners.
Das seinerzeit für die Veranlagung der Zweigniederlassung zuständige FA erkannte für das Streitjahr 1989 die pauschalen Rückstellungen für Bonitätsrisiken, nicht hingegen die Rückstellung i.H.v. 638.000 DM für Länderrisiken aufgrund der Risikounterbeteiligung Chile an.
Im Verlauf des Klageverfahrens hatte das FG (EFG 1999, 1022, 1026, 1033) dem EuGH verschiedene Fragen zur Auslegung der Vierten Richtlinie des Rats aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g der BiRiLi zur Vorabentscheidung gem. Art. 234 EG-Vertrag vorgelegt. Der EuGH hat über diese Vorlage durch Urteil vom 7.1.2003 C-306/99 (EuGHE 2003, I-1, BFH-PR 2003, 118) entschieden.
Das FG gab anschließend der Klage statt (EFG 2004, 746).
Entscheidung
Der BFH war anderer Ansicht als das FG. Er wies die Klage aus den in den Praxis-Hinweisen erwähnten Gründen ab.
Hinweis
Es handelt sich bei diesem Urteil um die "End-Entscheidung" des BFH zu jenem Sachverhalt, der auch schon dem EuGH (in einem Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg) vorgelegen hat, nämlich der Rechtssache C-306/99 "BIAO". Streitpunkt war im Kern die Frage danach, ob und in welcher Weise die durch ein Kreditinstitut eingegangene Risikounterbeteiligung an einem Auslandskredit sich bilanziell niederschlägt. Das dazu ergangene Urteil des EuGH vom 7.1.2003 wurde Ihnen in BFH-PR 2003, 118 vorgestellt.
Der BFH hat die Klage im Ergebnis abgewiesen.
1. Das geschah aufgrund der folgenden, hier thesenartig wiedergegebenen Bilanzierungsgrundsätze:
- Die Ermittlung der Gewinne der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen (hier französischen) Bank richtet sich im Streitjahr 1989 (ausschließlich) nach den GoB und hierbei insbesondere nach §§ 238 ff. HGB.
- Die bankspezifischen Sonderregeln der §§ 340f und 340g HGB sind erst am 1.1.1991 in Kraft getreten. Die IAS und hier insbesondere IAS 37 betreffend Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen galten 1989 ebenfalls noch nicht und sind ohnehin erst ab 1.1.2005 und ab dann auch nur für konsolidierte Abschlüsse börsennotierter Gesellschaften verbindlich.
- Die entgeltliche Risikounterbeteiligung an einem Auslandskredit stellt ein schwebendes Geschäft in Gestalt eines Avalkredits dar, kein bloßes Haftungsverhältnis. Schwebende Geschäfte gelten im Allgemeinen als ausgeglichen. Nur ausnahmsweise sind sie bilanziell auszuweisen, nämlich bei Erfüllungsrückständen und bei drohenden Verlusten.
- Ein Verlust droht erst, wenn Anzeichen gegeben sind, die den Eintritt des Verlusts im konkreten Fall ernsthaft bevorstehen lassen. Maßstab ist die Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters.
- Der Wert der zu erbringenden Leistungsverpflichtung bemisst sich i.d.R. gem. § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB mit dem Rückzahlungsbetrag, der bei Verbindlichkeiten, die nicht in der Leistung eines Geldbetrags bestehen, dem voraussichtlichen Erfüllungsbetrag entspricht. Maßstab dafür sind die Voll-(Selbst-)Kosten auf Basis der erwarteten tatsächlichen, nicht aber rein kalkulatorischen Kosten. Es gilt der Grundsatz der Einzelbewertung, eine rechnerisch ermittelte Wahrscheinlichkeit kommt hingegen nur ausnahmsweise in Betracht.
- "Überschießende" Risiken, die (drohende) Verluste nach sich ziehen, können bei Avalkrediten spezifische Länderrisiken sein, das aber nur dann, wenn die Risiken nicht nur latent, sondern konkret vorhanden sind. Pauschale Gruppenbewertungen scheiden regelmäßig aus. Sie sind nur zulässig, wenn die individuelle Risiko- und Wertermittlung unmöglich, schwierig oder unzumutbar erscheint.
- Der Verlustausweis kann grundsätzlich durch (objektiv) werterhellende Umstände nach der Bilanzaufstellung beeinflusst werden. Einen solchen Umstand stellt es auch dar, wenn eine Forderung zeitnah vor und nach der Bilanzerstellung beglichen wird. Auch die fristgerechte Rückzahlung eines größeren Teilbetrags wirkt sich auf den gesamten Avalkredit aus und lässt entsprechende Risiken bis zum Bilanzstichtag objektiv entfallen.
2. Vor allem der letzte Punkt – die Berücksichtigung zeitnaher Zahlungen als "wertaufhellend" – könnte der EuGH-Vorabentscheidung widersprechen, wo darauf hingewiesen wird, dass die Rückzahlung eines Kredits nach dem Bilanzstichtag sich nicht tatsächlich auf das fragliche Geschäftsjahr beziehe (Rn. 124). Daher stelle dieser Vorgang keine Tatsache dar, die eine rückwirkende N...