Leitsatz
Ein Unternehmen, dessen Zweck das Recycling von Bauschutt ist, kann eine Rückstellung für die nach dem jeweiligen Bilanzstichtag anfallenden Aufbereitungskosten bilden, sofern die zeitnahe Verarbeitung behördlich überprüft wird.
Normenkette
§ 5 EStG , § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB
Sachverhalt
Der Fall Die Klägerin betrieb eine Anlage für das Recycling von gebrauchten Baustoffen, die Bau- und Abbruchunternehmen aus der Umgebung gegen ein Entsorgungsentgelt möglichst sortenrein ablieferten. Die recycelbaren Stoffe wurden zu Schotter verarbeitet und verkauft, die verbleibenden Reststoffe wurden entsorgt. Die Klägerin erwirtschaftete Gewinne, die sich vorwiegend aus den Entgelten für die Annahme des Bauschutts ergaben. Die Erlöse aus Schotterverkäufen deckten die Recyclingkosten nicht. Deshalb bildete die Klägerin Rückstellungen, die sie aus dem durchschnittlichen Verkaufserlös abzüglich der gesamten variablen Kosten, 90 % der festen Kosten sowie 50 % der Verwaltungskosten ermittelte.
Das FA hielt die Bildung der Rückstellungen für unzulässig. Dieser Auffassung schloss sich das FG an.
Entscheidung
Der BFH war anderer Ansicht. Der Betreiber einer Anlage für Bauschuttrecycling sei seit Oktober 1996 unmittelbar gesetzlich zur Verarbeitung der angelieferten Materialien verpflichtet gewesen. Zuvor habe zwar keine konkrete Verwertungsverpflichtung bestanden, aber mittelbar habe sich eine Verpflichtung infolge der Bußgeldandrohung für das Verbleiben der Abfälle auf dem Gelände des Recyclingunternehmens konkretisiert. Zu klären sei aber noch, ob die Verarbeitungspflicht auch tatsächlich von den Behörden überwacht worden sei. Deshalb verwies der BFH das Verfahren an das FG zurück.
Hinweis
1. Verbindlichkeitsrückstellungen können auch für der Höhe nach ungewisse Verpflichtungen gebildet werden, die sich aus öffentlichem Recht ergeben. Dies setzt allerdings voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist; sie muss auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums zielen. Typischerweise ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn der Unternehmer von einer Behörde durch Verwaltungsakt auf eine Sachleistung in Anspruch genommen wird. Einer behördlichen Maßnahme bedarf es aber nicht in jedem Fall. Es reicht bereits die gesetzliche Verpflichtung des Unternehmers aus, wenn das Gesetz eine konkrete Pflicht begründet. Zusätzlich verlangt die Rechtsprechung, dass die Verletzung der Pflicht sanktioniert ist, so dass sich der Unternehmer der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss in jedem Einzelfall untersucht werden.
2. Im Besprechungsfall ging es um die Pflicht eines Bauschutt-Recyclingunternehmens, den angelieferten Schutt zu verarbeiten bzw. Reststoffe ordnungsgemäß zu entsorgen. In den Streitzeitraum fiel das In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen. Dieses Gesetz regelt ausdrückliche Verpflichtungen und droht für den Fall der Zuwiderhandlung Bußgelder an. Die Bildung einer Rückstellung hält der BFH deshalb für rechtens, wenn der Betrieb auch tatsächlich von den zuständigen Behörden überwacht wird.
3. Keine Äußerung enthält das Urteil zu der Frage, inwieweit die Verbindlichkeit in der Vergangenheit verursacht ist. Nach der neueren Rechtsprechung des I. Senats des BFH soll es auf einen Vergangenheitsbezug nicht ankommen, wenn die Verbindlichkeit dem Grunde nach wirksam entstanden ist (Urteil vom 7.6.2001, I R 45/97, BStBl II 2003, 121, BFH-PR 2001, 337). Diese Rechtsprechung wird bekanntlich von der Verwaltung abgelehnt (Nichtanwendungserlass vom 21.1.2003, BStBl I 2003, 125). Im hiesigen Fall musste der IV. Senat zu dieser Streitfrage keine Stellung beziehen. Denn die Verarbeitungsverpflichtung ist einerseits mit Anlieferung des Bauschutts wirksam entstanden, steht andererseits aber wirtschaftlich in Zusammenhang mit den Erlösen aus der Annahme des Bauschutts.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.3.2004, IV R 35/02