5.1 Bewertung in der Handelsbilanz
Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB ist der Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zur Erfüllung der Verpflichtung notwendig ist (Erfüllungsbetrag):
- Aufwandsrückstellungen sind mit den Aufwendungen anzusetzen, die der Bilanzierende im folgenden Geschäftsjahr voraussichtlich aufwenden wird.
- Geldleistungsverpflichtungen sind mit dem zur Abgeltung der Schuld zukünftig zu zahlenden Geldbetrag anzusetzen.
- Bei Sachleistungsverpflichtungen entspricht der Erfüllungsbetrag dem Geldbetrag des Werteverzehrs, der zur Erfüllung der Verpflichtung zukünftig aufzuwenden ist (Vollkosten).
5.1.1 Was bei der Ermittlung des Erfüllungsbetrags zu beachten ist
Der "nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendige Erfüllungsbetrag" bezeichnet nach mehrheitlicher Meinung den bereits abgezinsten (nominellen) Verpflichtungsbetrag (zur Abzinsung vgl. weiter unten), d. h. der Erfüllungsbetrag bezeichnet den abgezinsten Buchwert der Rückstellung. Dieses Begriffsverständnis wird im Folgenden zugrunde gelegt.
Die Schätzung des Verpflichtungsbetrags ist nach dem Grundsatz der Unternehmensfortführung unter der Annahme einer Erfüllung entsprechend den betriebsindividuellen Planungen vorzunehmen. Die Höhe der Rückstellungen richtet sich (insbesondere bei Verbindlichkeitsrückstellungen relevant) nach den Aufwendungen, die im Zeitpunkt der Erfüllung voraussichtlich entstehen werden. D. h., dass künftige Preis- und Kostensteigerungen bei der Bewertung der Rückstellungen einzubeziehen sind.
Die künftigen Preis- und Kostensteigerungen müssen sachgerecht geschätzt werden. D. h. es sind aus der Stichtagsperspektive hinreichend objektiv erkennbaren Hinweise für den Eintritt zukünftiger Preis- und Kostensteigerungen zu berücksichtigen. Gleichwohl können bei der Inanspruchnahme die tatsächlichen Aufwendungen von dem Betrag der Rückstellung abweichen.
Im Zuge der Schätzung des nominellen Verpflichtungsbetrags besteht die Möglichkeit, sich an den Inflationserwartungen zu orientieren. Bei Lohnkosten sind die Lohnsteigerungen anhand von Erfahrungswerten des Unternehmens oder der entsprechenden Branche anzusetzen.
Rückstellungen sind nach den Kenntnissen am Bilanzstichtag zu bewerten. Nach dem Bilanzstichtag eingetretene Änderungen des Werts einer Rückstellung dürfen grundsätzlich zum Bilanzstichtag nicht berücksichtigt werden.
Umsatzsteuerbeträge, die später als Vorsteuer abgezogen werden können, sind nicht einzubeziehen.
5.1.2 Grundsatz der Einzelbewertung
Rückstellungen sind grundsätzlich einzeln zu bewerten. Jedoch kann nach § 252 Abs. 2 HGB in begründeten Ausnahmefällen vom Einzelbewertungsgrundsatz abgewichen werden. Im Fall von Rückstellungen sind hierbei insbesondere folgende Fälle relevant:
- Bestehen Risiken aus einer Vielzahl gleichartiger Geschäftsvorfälle, so sind die daraus zu erwartenden künftigen Ausgaben durch eine Sammelbewertung zuverlässig zu schätzen und die Rückstellung auf dieser Grundlage zu bewerten. § 240 Abs. 4 HGB lässt auch für Schulden bzw. Rückstellungen eine Gruppenbewertung zu.
- Besteht am Abschlussstichtag mit der abzubildenden Verpflichtung ein konditional verknüpfter, kompensierender Vorteil, so ist dieser bei der Rückstellungsbewertung zu berücksichtigen, sofern er nicht bestritten ist. Allerdings sind am Abschlussstichtag rechtlich oder wirtschaftlich entstandene Ansprüche eigenständig zu aktivieren.
5.1.3 Restlaufzeit und Abzinsung
Die voraussichtliche Restlaufzeit einer Rückstellung ist nach IDW RS HFA 34.36 der Zeitraum zwischen dem Bilanzstichtag und dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme. Diese steht entweder fest oder ist nach den Umständen des Einzelfalls zu schätzen. Bei Rückstellungen kann der Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer in Anspruch genommen wird, unsicher sein. Diese Ungewissheit gehört zum Wesen einer Rückstellung.
Gemäß § 253 Abs. 2 HGB sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 Geschäftsjahre entsprechend ihrer Restlaufzeit abzuzinsen. Die entsprechenden Zinssätze werden nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) von der Deutschen Bundesbank mit 2 Nachkommastellen ermittelt und auf der Homepage der Deutschen Bundesbank bekannt gemacht.
Bestimmung des Abzinsungssatzes
Unternehmer Huber muss zum 31.12.01 für mögliche Gerichts- und Anwaltskosten aufgrund eines anstehenden Gerichtsverfahrens eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden. Er schätzt den nominellen Verpflichtungsbetrag auf 5.000 EUR. Mit einem Urteil ist im Mitte März 03 zu rechnen.
Der durch die Deutschen Bundesbank veröffentlichte Marktzins für eine Restlaufzeit von einem bzw. 2 Jahren beträgt annahmegemäß 1,1 %...