Leitsatz
1. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die lediglich darauf gerichtet ist, die objektive Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts in Zeiträumen nach Ablauf des Bilanzstichtags zu ermöglichen, ist in den bis dahin abgeschlossenen Rechnungsperioden wirtschaftlich noch nicht verursacht.
2. Ist eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung am Bilanzstichtag bereits rechtlich entstanden, bedarf es keiner Prüfung der wirtschaftlichen Verursachung mehr, weil eine Verpflichtung spätestens im Zeitpunkt ihrer rechtlichen Entstehung auch wirtschaftlich verursacht ist.
3. Bei der Bewertung von Rückstellungen sind künftige Vorteile nur dann wertmindernd zu berücksichtigen, wenn zwischen ihnen und der zu erfüllenden Verpflichtung ein sachlicher Zusammenhang besteht.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4b Satz 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2, § 14 LuftBO
Sachverhalt
Die klagende KG hatte Flugzeuge vermietet und Rückstellungen für von den Luftfahrtbehörden zur Verbesserung der Flugsicherheit angeordnete Umrüstungen an den Flugzeugen gebildet. Die Rückstellungen betrafen Maßnahmen, für die die Umsetzungsfrist teils abgelaufen, teils noch nicht abgelaufen war. Das FA vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, es handele sich um nicht zulässige Aufwandsrückstellungen.
Die Klage gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid hatte insoweit Erfolg, als das FG die Rückstellungen für Umrüstungsmaßnahmen anerkannte, für die die Umsetzungsfrist am Bilanzstichtag bereits abgelaufen war (FG Düsseldorf, Urteil vom 13.12.2010, 3 K 3356/08 F, Haufe-Index 2604243, EFG 2011, 884).
Entscheidung
Die von der KG erhobene Revision wies der BFH mit der Begründung zurück, eine Rückstellungsbildung komme nicht in Betracht, soweit die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sei.
Die zugleich vom FA erhobene Revision führte zur Zurückverweisung des Verfahrens an das FG. Soweit die Umsetzungsfrist abgelaufen sei, habe am Bilanzstichtag zwar eine voll wirksame und im überwiegenden öffentlichen Interesse liegende Verpflichtung bestanden. Spätestens mit Fristablauf sei die Verpflichtung auch wirtschaftlich verursacht gewesen. Eine Anrechnung des Vermietungsentgelts sei nicht vorzunehmen, weil dieses nicht konkret mit der Erfüllung der Verpflichtung zusammenhänge. Es müsse aber geklärt werden, ob die KG Halter der Flugzeuge gewesen sei. Denn nur der Halter sei zur Durchführung der Umrüstung verpflichtet.
Hinweis
1. Das Urteil ist zu einem von den Beteiligten als Musterverfahren betrachteten Fall ergangen. Konkret betrifft es Rückstellungen für nur in der Luftfahrt vorkommende öffentlich-rechtliche Umrüstungsverpflichtungen. Allgemein bedeutsam sind die Ausführungen zum Zeitpunkt des Entstehens der Verpflichtung (2.), zur wirtschaftlichen Verursachung der Verpflichtung (3.), zur Abgrenzung von Aufwandsrückstellungen (4.) und zur Vorteilsanrechnung (5.).
2. Der Zeitpunkt der Entstehung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, die durch einen Verwaltungsakt konkretisiert wird, ist nicht generell identisch mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Steht die angeordnete Maßnahme unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung, entsteht die Verpflichtung voll wirksam erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts bzw. des Fristablaufs. Dies war lange innerhalb des BFH streitig, ist aber jetzt durch das Urteil des I. Senats vom 6.2.2013, I R 8/12 (BStBl II 2013, 686) geklärt.
3. Streit bestand insbesondere auch über die Frage, ob bei einer dem Grunde nach voll wirksam entstandenen Verpflichtung die Bildung einer Rückstellung davon abhängt, dass die Verpflichtung in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht ist. Dies hatte der I. Senat des BFH in dem vielbeachteten Urteil vom 27.6.2001, I R 45/97 (BStBl II 2003, 121; Nichtanwendungserlass vom 21.1.2003, BStBl I 2003, 125) verneint und daran auch in dem oben genannten Urteil vom 6.2.2013 festgehalten.
Mit dem hier berichteten Urteil hat der IV. Senat nun der Streitfrage die Bedeutung dadurch genommen, dass nach seiner Auffassung eine Verpflichtung spätestens im Zeitpunkt ihrer voll wirksamen Entstehung auch wirtschaftlich verursacht ist. Im Ergebnis bedarf die wirtschaftliche Verursachung danach bei voll wirksam entstandenen Verpflichtungen nach Meinung beider Senate keiner eigenständigen Prüfung. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung jetzt dieser Auffassung anschließen wird.
4.Das FA hatte im Urteilsfall eine Rückstellung auch deshalb abgelehnt, weil es ein überwiegend eigenes Interesse des Unternehmers an der Umrüstung der Flugzeuge angenommen hatte. Der BFH beurteilt dies anders, weil die Verpflichtung der Sicherheit des Luftverkehrs und damit dem Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter diene. In einem solchen Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Erfüllung der Verpflichtung nach ständiger Rechtsprechung ein evtl. auch bestehendes eigenes Interesse des Unternehmers.
5. Auch das letzte Argument des FA, auf die Kosten der Umr...