Leitsatz
1. Scheidet ein Mitunternehmer aus einer Personengesellschaft aus, so ist der für den letzten Stichtag vor dem Ausscheiden des Mitunternehmers festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust der Gesellschaft um den anteilig auf ihn entfallenden Verlustanteil zu kürzen. Dieser Anteil ist für Erhebungszeiträume vor 2007 nicht nur anhand des Gewinnverteilungsschlüssels, sondern unter Einbeziehung der in den Jahren des Bestehens der Mitunternehmerschaft angefallenen Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben zu berechnen (Anschluss an BFH-Urteil vom 17.1.2006, VIII R 96/04, BFH-PR 2006, 196).
2. Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die zu § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) ergangene Anwendungsregelung des § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 mit dem GG insoweit unvereinbar ist, als danach für den Erhebungszeitraum 2000 bei einer Mitunternehmerschaft der gewerbesteuerrechtliche Verlustabzug im Fall des Ausscheidens eines Mitunternehmers in größerem Umfang gekürzt wird, als es das im Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitunternehmers geltende Gesetz vorsah.
Normenkette
§ 10a, § 36 Abs. 9 GewStG
Sachverhalt
An einer GmbH & Co. KG waren neben der Komplementär-GmbH zwei Kommanditisten beteiligt. Die KG machte während mehrerer Jahre Verluste. Gleichwohl ergaben sich für den Kommanditisten A (Beteiligung ca. 29 %) jeweils positive Einkünfte, weil er eine Tätigkeitsvergütung erhielt, die als Sonderbetriebseinnahme behandelt wurde. Zum 31.12.2000 schied A aus der Gesellschaft aus.
Das FA vertrat nach entsprechendem Hinweis des Rechnungshofs die Ansicht, der vortragsfähige Gewerbeverlust der KG habe sich mit Ausscheiden des A in Höhe des Prozentsatzes gemindert, mit dem A zuletzt an der KG beteilt war.
Das FG gab der Klage statt (EFG 2005, 62).
Entscheidung
Der BFH teilte die Rechtsauffassung des FG, konnte aber wegen einer zwischenzeitlichen und rückwirkenden Änderung des § 10a Satz 4 GewStG nicht in diesem Sinn entscheiden. Die rückwirkende Regelung hielt der BFH für verfassungswidrig und rief deshalb das BVerfG an.
Hinweis
1. In der Sache betrifft die Entscheidung die Frage, inwieweit der vortragsfähige Gewerbeverlust einer Personengesellschaft auf die Gesellschafter bezogen ist. Obwohl die GewSt eine Betriebssteuer ist, betrachtet der BFH die Mitunternehmer als Zuordnungssubjekt positiver oder negativer Gewerbeerträge. Folge daraus ist, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust der Personengesellschaft teilweise untergeht, wenn ein Gesellschafter ausscheidet. Die Gesellschaft kann nur den auf die verbleibenden Gesellschafter entfallenden Verlustvortrag nutzen.
a) Dieser Grundsatz war im Besprechungsfall nicht streitig. Gegenstand des Streits war die Berechnung des auf den ausgeschiedenen Gesellschafter entfallenden Anteils. Hier war es so gewesen, dass der ausgeschiedene Gesellschafter während aller Verlustjahre wegen einer Sondervergütung immer einen positiven Gewinnanteil zugewiesen bekommen hatte. Die Sondervergütung hatte allerdings nicht ausgereicht, um für die Gesellschaft insgesamt zu einem positiven Gewerbeertrag zu kommen.
b) Die KG berief sich auf ein BFH-Urteil vom 16.2.1994, XI R 50/88 (BStBl II 1994, 364), in dem entschieden worden war, dass die Berechnung des anteiligen Verlustvortrags gesellschafterbezogen erfolgen müsse. Danach ist einem Gesellschafter, der immer wegen Sondervergütungen oder Sonderbilanzgewinnen positive Einkünfte zugewiesen bekommen hat, kein Anteil am Gewerbeverlust zuzurechnen. Ein Ausscheiden des Gesellschafters hat dann auch keine Minderung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags zur Folge.
Diese Entscheidung hatte die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass bedacht. Sie beharrte bei Ihrer Auffassung, der Verlustvortrag gehe mit der Quote des Gewinnverteilungsschlüssels für den ausgeschiedenen Gesellschafter unter (so auch Abschn. 68 Abs. 3 Satz 4 GewStR). Der BFH hielt dennoch an seiner Auffassung fest und bestätigte sie zuletzt in dem BFH-Urteil vom 17.1.2006, VIII R 96/04.
2. Mit dem Jahressteuergesetz 2007 (JStG) hat der Gesetzgeber nun die Auffassung der Finanzverwaltung in § 10a Sätze 4 und 5 GewStG verankert. Die Regelung soll ausdrücklich auch Bedeutung für Erhebungszeiträume vor 2007 haben.
Die Gesetzesänderung wirkt sich deshalb auch auf den Besprechungsfall aus. Danach hätte die Revision des FA Erfolg haben müssen. Dies hielt der BFH für eine unzulässige echte Rückwirkung, weil wirtschaftliche Dispositionen vor Verkündung des JStG 2007 betroffen würden. Es gebe keine zwingenden Gründe des Gemeinwohls, die eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbots rechtfertigen würden.
3. Mit seiner Auslegung des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots lehnt sich der BFH an andere BFH-Entscheidungen und große Teile des Schrifttums an, die den Dispositionsschutz in den Vordergrund der Überlegungen stellen.
Auch bei Verlustvorträgen besteht ein Bedürfnis nach Dispositionsschutz. Beispielsweise wird ein Investor vor Erwerb einer Bete...