Leitsatz (amtlich)
Eine letztwillige Verfügung, die dahin lautet, dass der Erblasser "alles dem Staat" vermacht, "damit er sich um den Rest der Familie kümmert", ist nicht als Erbeinsetzung zugunsten des Fiskus auszulegen, wenn nahe liegt, dass die "Übergabe" des Geld- und Immobilienvermögens an den "Staat" lediglich erfolgten sollte, um eine ordnungsgemäße Verwaltung und Abwicklung sicherzustellen.
Verfahrensgang
AG Saarbrücken (Aktenzeichen 18 VI 741/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Saarbrücken
vom 8.8.2018, Az. 18 VI 741/17, aufgehoben.
Der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens trägt das beteiligte Land.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 240.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Am XX.XX.XXXX verstarb der Erblasser durch Suizid. Gesetzliche Erben sind die Beteiligte zu 3 (Mutter) sowie die Beteiligten zu 2 und 4 (Brüder). Der Beteiligte zu 4 lebt wegen einer psychischen Erkrankung in einem Heim und steht unter Betreuung. Der Vater G. K. ist am XX.XX.XXXX vorverstorben.
Wenige Tage vor seinem Tod fertigte der Erblasser ein Schreiben. Es ist überschrieben mit "Mein letzter Wille" und hat in seinem maschinenschriftlich gedruckten Teil folgenden Wortlaut (Bl. 1 der Beiakte 18 IV 1253/16):
"Da ich und meine Familie (Mutter: H. K. [...] und C. K. [der Beteiligte zu 2] [...] nicht in der Lage sind unsere Vermögensverhältnisse, nach dem Tod unseres Vaters G. K. in den Griff zu bekommen, übergebe ich hiermit meine Konten und mein Haus an den Staat zur weiteren Regelung [...]
Des Weiteren bitte ich Sie sich um meine Mutter und meinen Bruder C. zu kümmern, da wir alle total überfordert sind in der Erbenangelegenheit und Steuersachen meines Vaters und unserer eigenen Steuerangelegenheiten.
Und kümmern Sie sich bitte auch um die Auflösung meiner finanziellen Verpflichtungen, die über das Girokonto zu sehen sind, um meine Beerdigung, und die Auflösung des Hauses, da der Rest der Familie nicht dazu in der Lage sein wird.
A. K. 12.08.2016"
Handschriftlich fügte der Erblasser zwischen das Ende des gedruckten Textes und die gedruckte Unterschrift folgende Passage ein:
"Ich vermache Alles dem Staat! Damit er sich um den Rest der Familie kümmert!"
Am Ende des Schreibens findet sich - ebenfalls handschriftlich - die Unterschrift des Erblassers sowie ein Zusatz mit der Bitte um Information seines Arbeitgebers.
Mit Schreiben des Landesamts für Zentrale Dienste vom 5.4.2017 (Bl. 1 d.A.) beantragte das beteiligte Land die Erteilung eines Erbscheins, wonach der Erblasser aufgrund einer letztwilligen Verfügung von dem Land ... pp. allein beerbt worden sei. Der Beteiligte zu 4, vertreten durch seine Betreuerin, stimmte der Erteilung des Erbscheins zu, die Beteiligten zu 2 und 3 widersprachen. Sie wiesen darauf hin, dass der Erblasser seinerzeit offenbar an einer schweren Depression gelitten und unter Alkohol- und Medikamenteneinfluss gestanden habe und dass sein Abschiedsbrief nicht gültig sei bzw. vom Beteiligten zu 1 falsch interpretiert werde (Schreiben der Beteiligten zu 2 und 3 vom 20.5.2017). Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Erblasser seine Familie hätte enterben wollen (Schreiben vom 16.7.2017, Bl. 18 d.A.).
Mit Beschluss vom 8.8.2018 (Bl. 65 d.A.) hat das Nachlassgericht die aufgrund des Antrags des Beteiligten zu 1 zu Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Der ... pp. Fiskus sei im Testament vom 12.8.2016 wirksam als Alleinerbe eingesetzt worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers bestünden nicht. Ein Sachverständigengutachten sei entbehrlich, weil hiervon keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten seien.
Die Beteiligten zu 2 und 3 haben gegen den ihnen jeweils am 18.8.2018 zugestellten Beschluss am 16.9.2018 Beschwerde erhoben (Bl. 70 d.A.).
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 22.11.2018 dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde ist gemäß den §§, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3, 64 Abs. 1 und 2, 342 Nr. 6 FamFG zulässig und in der Sache erfolgreich. Das Nachlassgericht hat die zur Erteilung eines Erbscheins für das beteiligte Land erforderlichen Tatsachen zu Unrecht als festgestellt erachtet.
Entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung kann die letztwillige Verfügung des Erblassers in dem am 12.8.2016 gefertigten Schriftstück ("Ich vermache alles dem Staat", damit "er sich um den Rest der Familie kümmert") nicht als Erbeinsetzung des ... pp. Fiskus ausgelegt werden.
Bei der Auslegung von letztwilligen Verfügungen steht die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers im Vordergrund (§ 133 BGB).
Dabei ist deren Wortlaut nur der Ausgangspunkt der Interpretation. Hat der Erblasser seiner Formulierung einen anderen Sinn beigemessen als ...