Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Insolvenzanfechtung der vom vorläufigen Insolvenzverwalter gezahlten Sozialversicherungsbeiträge
Normenkette
InsO § 55 Abs. 2, § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 23.05.2013; Aktenzeichen 4 O 513/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 23.5.2013 (Aktenzeichen 4 O 513/12) abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.821,68 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2009 und 807,80 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.6.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der klagende Rechtsanwalt ist Verwalter in dem am 1.12.2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... GmbH & Co. OHG, N. (im Folgenden als Schuldnerin bezeichnet). Zuvor war er von dem Insolvenzgericht durch Beschluss vom 6.8.2009 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt und ihm das Recht zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse einschließlich der Ermächtigung, Kündigungen auszusprechen und mit einem vorhandenen Betriebsrat Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen zu führen, übertragen worden.
Der Kläger finanzierte vom 6.8.2009 bis November 2009 die den Arbeitnehmern der Schuldnerin zustehenden Insolvenzgeldzahlungen vor, indem die Bank die Nettolöhne an die Arbeitnehmer auszahlte und ihr deren Lohnansprüche abgetreten wurden, so dass die Bundesagentur für Arbeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Insolvenzgeld an die Bank zahlen konnte. Das für die Zeit vom 06. bis zum 31.8.2009 gezahlte Entgelt zahlte der Kläger an die finanzierende Bank zurück. Für diesen Zeitraum hatte er Lohnsteuer an das Finanzamt und am 11.11.2009 Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 17.821,68 EUR an die beklagte Rentenversicherungsanstalt gezahlt. Die der Beklagten erteilte Gutschrift trägt den Verwendungszweck "AN-Anteile 08/09" und nennt als Auftraggeber "RA Dr ...". Von dieser Zahlung leitete die Beklagte einen Betrag i.H.v. 13.430,29 EUR an die ... Pensionskasse, weiter. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 11.3.2010 zur Zahlung i.H.v. 17.821,68 EUR auf, woraufhin diese mit Schreiben vom 25.3.2010 erwiderte. Mit Anwaltsschreiben vom 1.6.2010 setzte der Kläger der Beklagten eine Frist bis zum 7.6.2010 zur Rückgewähr i.H.v. 17.821,68 EUR und zum Ausgleich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 807,80 EUR.
Der Kläger hat gemeint, er könne die Zahlung an die Beklagte gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO anfechten, weil sie nach dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sei und der Antrag der Beklagten bekannt gewesen sei. Der vorläufige Insolvenzverwalter habe keine Masseschulden begründen können, weil er nur zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse, nicht aber der Arbeitgeberpflichten ermächtigt worden sei. Die Beklagte könne sich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen, weil ihr bekannt gewesen sei, dass die Zahlung nur unter der Strafdrohung des § 266a StGB erfolgt sei. Die Weiterleitung eines Teilbetrags von 13.430,29 EUR an die Pensionskasse sei in Bezug auf den Anspruch gegen die Beklagte rechtlich unerheblich. Ferner sei eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a StGB nicht möglich, weil die Beiträge gezahlt worden seien und die Rückgewähr infolge der zulässigen Insolvenzanfechtung zu erfolgen habe. Zudem habe die Beklagte die Aufrechnungsforderung erst nach Insolvenzeröffnung erwerben können.
Der Kläger hat (sinngemäß) beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.821,68 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2009 zu zahlen und
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 807,80 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.6.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne die Zahlung nicht anfechten, weil er durch das Insolvenzgericht zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse ermächtigt worden sei. Damit sei er auch zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge ermächtigt gewesen und habe gegenüber der Beklagten eine Masseverbindlichkeit begründen können. Der Kläger verstoße gegen Treu und Glauben, wenn er einerseits durch die revolvierende Insolvenzgeldfinanzierung entschieden habe, für den Zeitraum vor dem 1.9.2009 Löhne zu zahlen und er damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, nunmehr aber die Zahlung vom 11.11.2009 zurückfordere. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Betrag i.H.v. 13.430,29 EUR an die Pensionskasse weitergeleitet habe. Sollte die Anfechtung durchgreifen, stehe der Beklagten...