Leitsatz
1. Der Grundstückswert für Grundstücke, auf denen sich Gebäude auf fremdem Grund und Boden befinden, ist gem. § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG zu ermitteln.
2. Verstößt der nach § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelte Wert solch eines Grundstücks, das mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden bebaut ist, im Einzelfall gegen das Übermaßverbot, ist er im Weg verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift auf den Verkehrswert des Grundstücks herabzusetzen.
3. Die Rechtsprechung, wonach die aus reinen Grundstücksvermächtnissen sich ergebenden Sachleistungsverpflichtungen der Erben und Sachleistungsansprüche der Vermächtnisnehmer ausnahmsweise mit den Steuerwerten der Grundstücke zu bewerten sind, bedarf unter der Geltung der §§ 138 ff. BewG einer Überprüfung.
Normenkette
§ 10 Abs. 6 Satz 3 BewG , § 12 Abs. 1 BewG , § 12 Abs. 3 BewG , § 148 Abs. 2 BewG , § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb als Vermächtnisnehmer ein verpachtetes Grundstück, das mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden bebaut war. Das FA stellte den Grundstückswert gem. § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG auf (Jahrespacht x 18,6) 446.000 DM fest.
Das FG lehnte eine Herabsetzung des Grundstückswerts ab, da er den Verkehrswert von 310.000 DM nicht einmal um 50 % übersteige und deshalb nicht offensichtlich unzutreffend sei. Dagegen legte der Kläger Revision ein.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision statt und setzte den Grundstückswert auf den Verkehrswert herab. Der mit einem Sachvermächtnis Bedachte erwirbt lediglich einen Sachleistungsanspruch, der nach der bisherigen Rechtsprechung ausnahmsweise mit dem Steuerwert der Sache zu bewerten ist. Dies macht bei einem Grundstücksvermächtnis die Feststellung des Grundstückswerts erforderlich.
Der festgestellte Grundstückswert darf jedoch nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. Verstieße der nach dem Wortlaut des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG festzustellende Grundstückswert gegen das Übermaßverbot, ist er im Weg verfassungskonformer Auslegung entsprechend den gesetzlichen Öffnungsklauseln des § 148 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 146 Abs. 7 oder den §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG auf den nachgewiesenen Verkehrswert zu mindern. Im Streitfall stellte die Feststellung eines Grundstückswerts, der den Verkehrswert um mehr als 40 % übersteigt, angesichts der steuerlichen Auswirkung im fünfstelligen Bereich einen Verstoß gegen das Übermaßverbot dar.
Hinweis
Der dritte Leitsatz bezieht sich auf eine mit dem Urteil aufgeworfene Rechtsfrage, die im Streitfall noch dahingestellt bleiben konnte. Es geht darum, ob die Sachleistungsverpflichtung bzw. der Sachleistungsanspruch aus einem Sachvermächtnis ausnahmsweise noch mit dem Steuerwert der Sache, anstatt mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist. Der BFH stellt dazu folgende Überlegungen an:
Die gem. § 138 Abs. 5 BewG gesondert festzustellenden Grundstückswerte sind anders als die bisherigen Einheitswerte nicht mehr auf einen (typisierten) gemeinen Wert gerichtet, sondern typisierende Werte, die ausdrücklich von den jeweiligen gemeinen Werten abweichen sollten, § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG. Insofern stellen diese Grundstückswerte in den Fällen, in denen sie die Verkehrswerte unterschreiten, bewusste Begünstigungen dar, die einer teilweisen Steuerbefreiung gleichkommen. Von daher erscheint es nicht ausgeschlossen, bei den Erben die vermächtnisweise Verpflichtung zur Herausgabe des Grundstücks als eine mit diesem wirtschaftlich zusammenhängende Last anzusehen, die gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG nur mit dem Betrag abzugsfähig ist, der dem steuerpflichtigen Teil entspricht.
Dadurch würden sich die Ansätze für das Grundstück und die Sachleistungsverpflichtung bei den Erben ohnehin vollständig ausgleichen, so dass es einer ausnahmsweisen Bewertung mit dem Steuerwert der Sache nicht mehr bedarf. Auch auf Seiten des Vermächtnisnehmers bestünde kein Grund mehr, den Sachleistungsanspruch anders zu bewerten als mit dem gemeinen Wert. Beim Vermächtnisnehmer ist bislang der Steuerwert der Sache nur deshalb zum Maßstab genommen worden, um eine korrespondierende Bewertung mit der Erbenseite zu erreichen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 02.07.2004, II R 9/02BFH, Urteil vom 3.7.2004, II R 9/02