Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristete Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von der Bauabzugsteuer im Wege der einstweiligen Anordnung. Erlass einer einstweiligen Anordnung (Erteilung der Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Vorläufiger Rechtsschutz wegen der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von der Bauabzugsteuer kann trotz der Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise dadurch erteilt werden, dass eine endgültige Bescheinigung für einen begrenzten Zeitraum erteilt wird (hier: neun Monate).

2. Trotz erheblicher Steuerrückstände hat die Antragstellerin Anspruch auf Erteilung einer befristeten Freistellungsbescheinigung, wenn die Auftraggeber die Bezahlung offener Rechnungen und die Erteilung neuer Aufträge von der Vorlage einer Freistellungsbescheinigung abhängig machen, anderfalls die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin gefährdet ist und die Antragstellerin ihre übrigen steuerlichen Pflichten (Abgabe der Voranmeldungen und Steuererklärungen) vollständig und rechtzeitig erfüllt hat und zudem die Steuerrückstände hauptsächlich aus Umsatzsteuer bestehen, die nicht zu den nach § 48b EStG zu sichernden Steueransprüchen gehört.

 

Normenkette

EStG § 48b Abs. 1 Sätze 1-2; FGO § 114 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, der Antragstellerin eine endgültige, auf neun Monate befristete Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck zu erteilen, die den Leistungsempfänger von der Pflicht zum Steuerabzug befreit, § 48 b Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG-.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Versagung der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48 b Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG-.

Die Antragstellerin (AStin.) ist eine inländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Parkettlegearbeiten erbringt. Der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) lehnte erstmals am 18.Dezember 2001 sowie nachfolgend am 23.April 2002 die Erteilung der o.g. Freistellungsbescheinigung mit der Begründung ab, dass die AStin. als Leistende angemeldete und/oder festgesetzte und fällige Steuern nicht bezahlt habe. Über den hiergegen eingelegten Einspruch hat das FA noch nicht entschieden.

Nach Aktenlage belaufen sich die Steuerrückstände der AStin. auf 37.829,75 EUR. Davon entfallen auf für 1998, 2000, Juli bis Dezember 2001 rückständige Lohnsteuer (LSt) einschließlich Solidaritätszuschlag ca. 5.000 EUR; die verbleibenden Beträge resultieren aus offener Umsatzsteuer (USt) für 1999, Dezember 2000, Januar, April bis November 2001 und Verspätungszuschlägen hierzu. Im Rahmen der ab Mai 2001 begonnenen Vollstreckung gewährte das FA unter dem 21.Juni 2001 einen Aufschub der Vollstreckung. Da die vereinbarten Ratenzahlungen jedoch ausblieben, wurde das Geschäftskonto mit einem Guthaben in Höhe von 303,92 DM gepfändet. Der Geschäftsführer der AStin. und sein Prozessvertreter (PV) nahmen zunächst mehrere Aufforderungen zur Vorsprache im FA im November/Dezember 2001 nicht wahr, auch die im Dezember 2001 angekündigte Zahlung von 35 TDM ging nicht ein. Unter dem 23.Januar 2002 wurde der Geschäftsführer der AStin. wegen der o.g. Steuerschulden in Haftung genommen.

Nach einer persönlichen Vorsprache am 31.Januar 2002 legte der PV unter dem 8.Februar 2002 einen Zahlungsplan vor, wonach die offene LSt mit der Forderung gegenüber der Diakonissenanstalt „” in Höhe von 5.000 EUR sowie die übrigen Steuerschulden mit einer Einkommensteuererstattung in Höhe von 9 TDM und den sich aus dem Bauvorhaben ergebenden Forderungen verrechnet werden sollten (vgl. Schreiben vom 8.Februar 2002, Blatt 16 der Vollstreckungsakte). Unter dem 20.Februar 2002 wurden 9 TDM überwiesen. Die Diakonissenanstalt hat ihre Zahlung von der Vorlage einer Bescheinigung nach § 48 b EStG abhängig gemacht (vgl. Schreiben vom 5.Februar 2002, Blatt 17 der Vollstreckungsakte).

Mit ihrem am 25.April 2002 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begehrt die AStin. vorläufigen Rechtsschutz. Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung könne nur dann versagt werden, wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen den Schluss zulasse, dass er nicht gewillt sei, die Steuergesetze einzuhalten (vgl. Beschluss des Finanzgerichts -FG-Berlin vom 21.Dezember 2001 8 B 8408/01, EFG 2002, 330). Das sei nicht der Fall. Die AStin. habe ihre Steuererklärungen pünktlich abgegeben und darüber hinaus dem FA in Gesprächen glaubhaft dargelegt, dass ein zu sichernder Steueranspruch nicht bestehe (Glaubhaftmachung durch Zeugnis einer Frau sowie durch eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der AStin.). Die Rückführung bestehender Ansprüche sei durch die Abtretung von Steuererstattungsansprüchen des Geschäftsführers und seiner Ehefrau erfolgt (vgl. Erklärung des Prozessvertreters vom 11.Februar 2002, Blatt 41 der Akte). Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung dürfe nicht – wie vom FA beabsichtigt – entgegen dem Sinn und Zweck der Regelung dazu benutzt werden, Steuerschulden einzutrei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge