Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung. Erwerb örtlicher Versorgungsanlagen im Rahmen des sog. Stromvergleichs als Anschaffungsgeschäft
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass es sich bei der Übertragung örtlicher Versorgungsanlagen i. R. d. Vereinbarung vom 22.12.1992 zur Beilegung des Streits vor dem Bundesverfassungsgericht über die Struktur der Stromversorgung in den neuen Bundesländern (sogenannter Stromvergleich) nicht um einen der Unternehmensrückgabe nach dem Vermögensgesetz vergleichbaren Vorgang handelt, sondern um einen Vorgang, der nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu behandeln ist (Anschaffungsgeschäft).
2. Eine nach Abschluss des Kaufvertrags ermittelte abweichende Wertfeststellung in Bezug auf den Kaufgegenstand ist daher steuerlich grundsätzlich unbeachtlich.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1; HGB § 253 Abs. 1, § 255 Abs. 1; KVG § 4 Abs. 2; VermG § 1 Abs. 8 Buchst. d; FGO § 69 Abs. 3, 2
Tenor
1. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 2000 und 2001 vom 22.11.2007, geändert durch die Bescheide vom 17.04.2009. Streitig ist die bilanzielle Bewertung des von der E AG auf die Antragstellerin übertragenen „Stromvermögens” (= Übertragung der örtlichen Versorgungsanlagen), das mit Wirkung zum 01.01.1996 übertragen worden war, und insoweit die in der Folge des Übertragungsvorganges abzuleitenden Abschreibungsbeträge.
Die Antragstellerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand insbesondere die Versorgung mit elektrischer Energie, Gas, Wasser und Fernwärme ist. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung (Prüfungsbericht vom 05.04.2007 Tz. 1.06) hat die Antragstellerin durch Vertrag vom 30.08.1995 (UR-Nr. 2932/95 H des Notars Dr. H in D) mit Wirkung zum 01.01.1996 die Versorgungsanlagen für das Versorgungsgebiet der Stadt L von der E übertragen bekommen. Die Übertragung erfolgte aufgrund der Vereinbarung vom 22.12.1992 zur Beilegung des Streits vor dem Bundesverfassungsgericht über die Struktur der Stromversorgung in den neuen Bundesländern (sog. „Stromvergleich” im Zusammenhang mit den Verfahren 2 BvR 1043/91, 2 BvR 1183/91, 2 BvR 1457/91). Im Rahmen dieser „Vereinbarung zur Beilegung des Streits vor dem Bundesverfassungsgericht über die Struktur der Stromversorgung in den neuen Bundesländern” (Blatt 179 ff. der Gerichtsakte zu 4 K 1136/09 zum Klageverfahren der Beteiligten wegen der Veranlagungszeiträume 1996 bis 1999), auf die Bezug genommen wird, haben sich die hieran Beteiligten darauf verständigt, dass die Treuhandanstalt und die westdeutschen Energieversorgungsunternehmen sicherstellen, den Kommunen in den neuen Bundesländern auf Verlangen alle örtlichen Versorgungsanlagen gegen Erstattung des Sachzeitwertes durch Verzicht auf den Anspruch nach § 4 Abs. 2 Kommunalvermögensgesetz (KVG) zum Stichtag 31.12.1990 zu übertragen.
Dementsprechend hat die Antragstellerin als Gegenleistung für die ihr in der Folge übertragenen Vermögensgegenstände nach § 2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 30.08.1995 den Sachzeitwert der übertragenen Vermögensgegenstände per 31.12.1990 aufgewendet. Dies ist geschehen, indem die Antragstellerin entsprechend der Verständigungsvereinbarung vom 22.12.1992 auf ihren Anspruch nach § 4 Abs. 2 KVG auf Kapitalbeteiligung an der E gegenüber der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BfS) verzichtet hat. Die Stadt L hatte hierzu den Anspruch nach § 4 Abs. 2 KVG – bezogen auf den Zeitpunkt 31.12.1990 – an die Antragstellerin abgetreten. Die von der E im Zusammenhang mit den vorgenannten Vermögensgegenständen ab 01.01.1991 bis zum 31.12.1995 getätigten Investitionen wurden ebenfalls auf die Antragstellerin übertragen. Für diese Investitionen wurden nach § 2 Abs. 2 des Vertrages vom 30.08.1995 von der Antragstellerin 600.000 DM netto zum 31.03.1996 aufgewendet. Ferner wurden ausweislich des Betriebsprüfungsberichtes vom 05.04.2007, dort Tz. 1.06, Baukostenzuschüsse in Höhe von 1.196.106 DM übernommen. Auf den Vertrag vom 30.08.1995 (Blatt 1 ff. der Betriebsprüfungsakte) wird Bezug genommen.
Die Bewertung der von der E übernommenen Stromversorgungsanlagen erfolgte durch die W Wirtschaftsberatung AG. Laut deren Gutachten vom 05.06.1996 ergibt sich für das von der Antragstellerin übernommene Anlagevermögen ein Wert in Höhe von 9.897.243 DM.
Bei der Antragstellerin wurde für die Jahre 1996 bis 1999 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Auf den Betriebsprüfungsbericht vom 05.04.2007 (Akten über die Betriebsprüfung, Trennblatt „Bericht vom 5.4.07”, Blatt 1 ff) und den geänderten Prüfungsbericht vom 25.03.2009 wird Bezug genommen. Am 22.11.2007 erließ das Finanzamt als Folge des Betriebsprüfungsberichtes vom 05.04.2007 die Körperschaftsteuerbescheide 2000 und 2001. Am 17.04.2009 erließ das Finanzamt als Folge des geänderten ...