rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO bei beiseitiger Pflichtverletzung
Leitsatz (redaktionell)
Werden die Beiträge zum ärztlichen Versorgungswerk in den von einer Steuerberatergesellschaft erstellten Einkommensteuererklärungen doppelt erfasst, indem der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerbeitrag an die berufständische Versorgungseinrichtung laut Lohnsteuerbescheinigung sowie die Summe beider Beiträge nochmals als Beiträge zu freiwilligen Versicherungen angegeben werden, ist das FA trotz Vorlage der Bescheinigung des Versorgungswerks nicht an der Änderung der Einkommensteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO aus Vertrauensschutzgründen gehindert, wenn die Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen gegenüber der Ermittlungspflichtverletzung des FA –wegen fehlender Aufklärung trotz widersprüchlicher Eintragungen– überwiegt (nachfolgend BFH, Beschluss v. 14.5.2013 X B 33/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; entgegen Sächsisches FG, Beschl. v. 29.2.2012 8 K 905/11).
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Den Antragstellern werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
4. Der Beschwerde der Kläger wird nicht abgeholfen. Sie wird dem BFH zur Entscheidung vorgelegt.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 ändern durfte.
Die Antragsteller sind Eheleute und wurden 2006 und 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller erzielte in den Streitjahren als Chefarzt u. a. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Die Steuererklärungen für 2006 und 2007 wurden unter Mitwirkung einer Wirtschaftsprüfer-/ Steuerberatergesellschaft erstellt. In der Steuererklärung für 2006 trugen die Antragsteller – jeweils in der Spalte für den Antragsteller – in Zeile 61 „Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen u. zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 23 d. Lohnsteuerbescheinigung (Arbeitnehmeranteil)” 5.148 EUR ein. In Zeile 63 „Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen” trugen die Antragsteller 10.296 EUR ein. In Zeile 65 „Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen, Zuschüsse zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 22 der Lohnsteuerbescheinigung” trugen die Antragsteller 5.148 EUR ein.
In der Steuererklärung für 2007 lauten die Zahlen:
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Antragsteller |
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Zeile 61 |
5.433 EUR |
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Zeile 63 |
10.866 EUR |
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Zeile 65 |
5.432 EUR |
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Bei der Veranlagung für 2007 lag ein Schreiben der Sächsischen Ärzteversorgung (SÄV, Bl. 8 ESt-Akte) vor, in dem dem Antragsteller bescheinigt wird, dass auf dessen Konto im Jahr 2007 10.865,52 EUR eingegangen seien.
In einer Kontrollmitteilung vom 9. März 2011 forderte das Landesamt für Steuern und Finanzen das FA auf, die berücksichtigten Sonderausgaben zu kontrollieren, „insbesondere hinsichtlich möglicher Mehrfacherklärung/-erfassung aufgrund einer Bescheinigung des Versorgungsträgers zusätzlich zum Ausweis der Beiträge auf der Lohnsteuerbescheinigung.”
Mit nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheiden vom 23. Febr. 2012 setzte das FA die Einkommensteuer 2006 auf 26.284 EUR und die Einkommensteuer 2007 auf 25.999 EUR fest. Die Altersvorsorgeaufwendungen berücksichtigte es dabei nur noch mit EUR 12.973 (2006) bzw. EUR 13.576 (2007). Die Antragsteller legten hiergegen Einspruch ein. Den Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA mit Verfügung vom 26. März 2012 ab (Bl. 20 Rb). Die hiergegen eingelegten Einsprüche und die Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen wies das FA als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidungen vom 1. Juni 2012, Bl. 42, 52 Rb).
Die Antragsteller behaupten, auch für 2006 habe eine Bescheinigung der Sächsischen Ärzteversorgung vorgelegen. Sie meinen, die doppelte Angabe der Beiträge zum Versorgungswerk hätte dem FA auffallen müssen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Vollziehung der Bescheide über Einkommensteuer für 2006 i.H.v. 2.491 EUR und für 2007 i.H.v. 2.699 EUR auszusetzen.
Das FA beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Das FA meint, die neue Tatsache sei hier, dass die Antragsteller keine Beiträge zu freiwilligen Versicherungen bei berufsständischen Vorsorgeeinrichtungen gezahlt hätten. Das FA habe seine Ermittlungspflicht nicht verletzt, da es auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Steuererklärungen habe vertrauen dürfen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Der Antrag ist unbegründet.
a) Nach § 69 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 soll das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag u.a. dann aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkei...