Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzungsbefugnis des FA bei Buchführungsmängeln. Kassenfehlbeträgen und ungeklärten Bareinzahlungen. Umsatzsteuer 1995 bis 1998 und Zinsen zur USt 1998
Leitsatz (redaktionell)
Werden bei einem Betrieb, der ausschließlich Bargeschäfte tätigt (hier: Fleischerei), Tagesendsummenbons der elektronischen Kassenwaagen nicht aufbewahrt, das Kassenbuch nicht täglich sowie die Aufzeichnungen nicht chronologisch erstellt und ergeben sich rechnerisch Kassenfehlbeträge, sind zudem ungeklärte Bareinzahlungen auf Bankkonten nicht plausibel erklärt worden, so ist die Buchführung nicht ordnungsgemäß und das FA ohne weitere Sachverhaltsermittlungen zu einer Schätzung der Einnahmen/Umsätze befugt (hier: ungeklärte Bareinzahlungen als Anhaltspunkte für die Hinzuschätzung, Ausführungen zur Höhe der Hinzuschätzungen sowie zur schätzungsweisen Aufteilung der Umsätze in solche, die dem Regelsteuersatz unterliegen –Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle–, und solche, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen).
Normenkette
AO § 146 Abs. 1 Sätze 1-2, § 162 Abs. 2 Sätze 1-2, § 158; UStG 1996 § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2, Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 1995 bis 1998 eine Fleischerei. Ab 1.7.1997 vermietete er ein von ihm angemietetes Ladengeschäft an H. weiter. Als Mietzins war für 1997 ein monatlicher Betrag von 1.265 DM und für 1998 von 1.272 DM vereinbart. Der Mieter bezahlte die Miete nur unregelmäßig und unvollständig. 1997 wurden Mietforderungen i.H. von 5.060 DM und 1998 i.H. von 7.964 DM nicht entrichtet. Der Kläger hatte die ihm durch die Anmietung des Objekts entstandenen Kosten als Betriebsausgaben geltend gemacht.
Bei einer Betriebsprüfung (BP), die die Streitjahre 1995 bis 1998 umfaßte, stellte die Prüferin u.a. Mängel der Buchführung fest. So wurden die Tagesendsummenbons der elektronischen Kassenwaagen nicht aufbewahrt. Auch das Kassenbuch wurde nicht täglich erstellt. Vielmehr wurden die Einnahmen von den Summenbons auf ein gesondertes Blatt übertragen und zum Monatsende mit den Eingangsrechnungen im Kassenbuch erfasst. Die Aufzeichnungen wurden nicht chronologisch erstellt; es entstanden Kassenfehlbeträge. Die Einzahlungen von der Kasse auf das Bankkonto wurden im Rahmen der Erstellung des Kassenbuchs eingearbeitet. Es kam zu Differenzen zwischen den Kassenbeständen und den Bankeinzahlungen; die Kassenbestände laut Kassenbuch hätten die Höhe der Einzahlungen auf das Bankkonto nicht ermöglicht.
Die Prüferin stellte in den Streitjahren folgende Einzahlungen fest:
- Am 4.9.1996 wurden auf ein Konto des Klägers 15.000 DM bar einbezahlt.
- Am 11.11.1996 wurden auf ein Konto des Klägers 14.000 DM bar einbezahlt.
- Am 22.7.1997 wurden auf ein Konto des Klägers 13.000 DM bar einbezahlt.
- Auf das Darlehenskonto Nr. A) der B.-Bank erfolgten Bareinzahlungen i.H. von insgesamt 156.270 DM, nämlich am 13.5.1998 in Höhe von 81.770 DM und am 12.8.1998 in Höhe von 74.500 DM (vgl. Bl. 76 Prüfer-Handakte).
- Auf das Konto Nr. B) der Sparkasse zahlte der Antragsteller bar Beträge in Höhe von insgesamt 44.500 DM ein, nämlich am 6.5.1998 in Höhe von 10.000 DM, am 8.6.1998 in Höhe von 10.000 DM, am 22.6.1998 in Höhe von 16.500 DM und am 31.8.1998 in Höhe von 8.000 DM (vgl. Bl. 77 Prüfer-Handakte).
- Außerdem zahlte der Antragsteller bar weitere Beträge in Höhe von insgesamt 22.000 DM ein, und zwar am 4.8.1998 in Höhe von 5.000 DM und 6.000 DM sowie am 24.8.1998 in Höhe von 3.000 DM und 8.000 DM (vgl. Bl. 76 Prüfer-Handakte).
Nachdem der Kläger nach Auffassung der Prüferin die Herkunft der Einzahlungen nicht ausreichend nachweisen oder glaubhaft machen konnte, beurteilte sie diese Beträge als Entgelt für Umsätze und erhöhte dementsprechend die Umsätze.
Die Prüferin beurteilte Umsätze aus Veranstaltungen, die vom Kläger in seinen Steuererklärungen einem Steuersatz von 7 v.H. unterworfen worden waren, zu 60 v.H. als Umsätze im Zusammenhang mit an Ort und Stelle verzehrten Speisen. Demgemäß verringerte sie die Umsätze, die einem Steuersatz von 7 v.H. unterliegen, und erhöhte die Umsätze, die einem Steuersatz von 16 v.H. unterliegen.
Außerdem unterwarf sie die Mietforderungen, die in den Streitjahren 1997 und 1998 entstanden waren, der USt, nachdem der Kläger für die Mietumsätze auf die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 UStG verzichtet hatte.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA–) folgte den Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung der Prüferin und erließ am 24. Oktober 2000 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über USt 1995 bis 1998 und über Zinsen zur USt 1998 (561 DM).
Gegen die USt-Festsetzung 1998 hat der Kläger Einspruch eingelegt. Er trägt vor, dass mit der Prüferin abgesprochen gewesen sei, dass die Umsätze im Zusammenhang mit Veranstaltungen zu 40 v.H. dem Regelsteuersatz und zu 60 v.H. dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden. Das FA habe die Umsätze gerade umgekehrt den jeweil...