Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Ursächlichkeit der Lernbehinderung eines Kindes für seine Unfähigkeit zum Selbstunterhalt
Leitsatz (redaktionell)
Eine leichte geistige Behinderung in Gestalt einer Lernbehinderung und eines gestörten Sozialverhaltens ist ursächlich für die Unfähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten, wenn sie jedenfalls mitursächlich dafür ist, dass es dem Kind trotz entsprechender Bemühungen nicht gelingt, einen Berufsausbildungsplatz zu finden und sich so in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies gilt auch dann, wenn der festzustellende Grad der Behinderung weniger als 50 % betragen würde.
Normenkette
EStG 2002 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2
Tenor
Der Kindergeldbescheid der Beklagten vom 03.12.2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2004 wird dahingehend geändert, dass für das Kind R. ab Januar 2003 Kindergeld festgesetzt wird.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kindergeld für seinen am 20.12.1981 geborenen Sohn R. ab Januar 2003.
R. ist lernbehindert (leichte geistige Behinderung) und leidet an einer Störung des Sozialverhaltens. Nach Beendigung der Förderschule 1997 absolvierte R. bis 1999 einen Berufsvorbereitungslehrgang. Im Anschluss daran war R., unterbrochen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als Bauhelfer vom 04.09.2000 bis zum 31.07.2001 bei der TÜV Akademie und ab dem 25.03.2002 bis zum Abbruch am 30.06.2002 bei dem AuR Verein für Arbeitsmarkt- und Regionalentwicklung, arbeitslos. Entgegen seinem nachweislich am 29.08.2002 und am 06.03.2003 bei der Berufsberatung des Beklagten vorgetragenem Wunsch, eine Lehre, namentlich eine Ausbildung zum Koch, zu machen, wurde R. vom Beklagten nicht als Bewerber für einen Ausbildungsplatz geführt. Weil für eine Berufsausbildung auch theoretische Kenntnisse gefordert seien, habe man im Rahmen der berufsvorbereitenden Maßnahme unter besonderen Bedingungen erfolglos versucht, R. an den Erwerb solcher Kenntnisse heranzuführen. Es habe sich gezeigt, dass die theoretischen Anforderungen einer Ausbildung für R. nicht zu schaffen seien. Ziel müsse eine Hilfstätigkeit/Anlerntätigkeit sein. Wenn über die Arbeitsvermittlung entsprechende Eingliederungsmaßnahmen angeboten würden, werde R. berücksichtigt. Von März bis Juli 2003 nahm R. an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des BMS-Werkes H. teil und arbeitete während dieser Zeit und auch danach teilweise in Nebenjobs, z.B. als Pizzafahrer. Auch Eigenbewerbungen um einen Ausbildungsplatz durch R. blieben erfolglos. R. erhielt nach Stand September 2002 Arbeitslosenhilfe i. H. v. 11,59 EUR/Tag. Gemäß tatsächlicher Verständigung der Beteiligten ist davon auszugehen, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes R. im Jahr 2003 7.188 EUR nicht überstiegen.
Nachdem der Beklagte die Kindergeldfestsetzung für R. mit Ablauf des Monats Dezember 2002 aufgrund der Vollendung des 21. Lebensjahres aufgehoben hatte, lehnte er einen Fortzahlungsantrag des Klägers vom 06.12.2002 unter dem 17.12.2002 bestandskräftig ab. Unter dem 17.02.2003 beantragte der Kläger erneut Kindergeld für R.. Mit Bescheid vom 03.12.2003 lehnte der Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für R. ab Januar 2003 ab. Dagegen legte der Kläger unter dem 07.12.2003 Einspruch ein. Die Familie bemühe sich ständig, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz für R. zu finden. Der Beklagte solle einmal Rücksprache mit seiner Rehabilitationsabteilung nehmen um dort die Erfolgschancen eines Schülers der Lernbehindertenschule zu erfahren. R. müsse ohnehin jeden Monat fünf Eigenbemühungen nachweisen. Dabei würden zumeist die ersten Kontaktaufnahmen (Telefon) abgewiesen. Schriftlich versandte Bewerbungen blieben ohne jegliche Reaktion. Man sei nun im Sächsischen Krankenhaus für Psychiatrie gewesen, um einen Platz in einer Behindertenwerkstatt zu erhalten. Mit Einspruchsentscheidung vom 02.04.2004 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Am 13.04.2004 hat der Kläger Klage erhoben.
Es hätten verschiedene Untersuchungen und Tests in einer Nervenklinik stattgefunden. Dabei habe sich herausgestellt, dass R. für den ersten Arbeitsmarkt nicht in Frage käme. Gleichwohl habe man sich trotz aller Einschränkungen ständig um Lehrstellen bemüht. Im Übrigen sei R. behindert und eine Vermittelbarkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt infolge dessen nicht gegeben. Im Abschlussbericht des Fachkrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie G. vom 24.05.2004 nach einem Aufenthalt des Sohnes R. sei die Eingliederung in eine Werkstatt für Behinderte empfohlen worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 03.12.2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2004 dahingehend zu ä...