Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Anwendung des § 233a AO. Verzinsung eines Anspruchs auf Erstattung rechtsgrundlos abgeführter Getreide-Mitverantwortungsabgabe. Auslegung einer auf die Festsetzung von Zinsen gerichteten Verpflichtungsklage. Verzinsung von Steuererstattung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird Einspruch gegen einen Steuerbescheid eingelegt, weil dieser „keine Aussage über die Verzinsung des Erstattungsanspruchs” enthalte, und wird auch in der Einspruchsentscheidung nicht über die Verzinsung entschieden, so ist eine auf die Festsetzung von Zinsen gerichtete Verpflichtungsklage dahin auszulegen, dass es sich um eine nach erfolglosem Untätigkeitseinspruch erhobene Untätigkeitsklage handelt.
2. Es bleibt offen, ob § 233a AO überhaupt dem Grundsatz nach auf Fälle der Erstattung von Getreide-Mitverantwortungsabgabe entsprechend angewendet werden kann.
3. Die Regelung zur Anwendung des § 233a AO, die besagt, dass Ansprüche auf Erstattung von vor dem 1.1.1991 entstandenen Steuern nicht zu verzinsen sind, enthält keine Regelungslücke im Hinblick darauf, dass eine Verzinsung des Anspruches auf Erstattung der in der DDR erhobenen Getreide-Mitverantwortungsabgabe im Gesetz nicht vorgesehen ist
Normenkette
AO 1977 § 233a Abs. 1 S. 1, § 347 Abs. 1 S. 2; EGAO Art. 97a § 2 Nr. 10 S. 2; MOG § 12 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 1, § 44 Abs. 1, § 46 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Ansprüche der Klägerin auf Erstattung rechtsgrundlos abgeführter Getreide-Mitverantwortungsabgabe gemäß § 233a AO i.V. mit § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) zu verzinsen sind.
Die Klägerin hatte im Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis 2. Oktober 1990 Getreide an die L K GmbH sowie an die Getreidehandel L GmbH bzw. deren Rechtsvorgänger vermarktet. Hierfür ist von den Empfängern der Lieferungen auf der Grundlage von Rechtsvorschriften der DDR Getreide-Mitverantwortungsabgabe einbehalten, angemeldet und abgeführt worden.
Die Anmeldungen der Getreidehandel L GmbH datieren vom 23. Januar 1991 (vgl. Bl. 108 dA) und vom 1. August 1991 (vgl. den Hinweis im Erstattungsantrag der Getreidehandel L GmbH vom 18. Dezember 1995, Bl. 1 der Akte des Beklagten). Anmeldungen der L K GmbH liegen nicht vor. Jedoch hat die L K GmbH mit Schreiben vom 22. Dezember 1995 (Bl. 5 der Akte des Beklagten) beantragt, „den unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Festsetzungsbescheid vom 21.01.1991 … über die von uns abzuführende Getreide-Mitverantwortungsabgabe … aufzuheben und uns den bereits abgeführten Betrag … zurückzuerstatten.” Die Beteiligten haben auf entsprechende Anfragen des Berichterstatters (Schreiben an den Beklagten vom 23. September 2004, Bl. 97 dA, sowie an den Klägervertreter vom 30. September 2004, Bl. 111-113 dA) mitgeteilt, dass sich aus den ihnen jeweils zugänglichen Unterlagen nicht feststellen lasse, zu welchem Zeitpunkt die Getreidehandel L GmbH und die L K GmbH die angemeldeten Mitverantwortungsabgaben an das Hauptzollamt abgeführt hätten (vgl. Schriftsätze des Beklagten vom 28. September 2004, Bl. 105 ff. dA und des Klägervertreters vom 18. Oktober 2004, Bl. 118 ff. dA).
Nachdem das FG Brandenburg (Urteil vom 21. Februar 1995 4 K 432/93 H, EFG 1995, 488 ff.) und diesem folgend der BFH (Urteil vom 4. Juli 1996 VII R 32/95, BFH/NV 1997, 317 ff.) die Erhebung der Getreide-Mitverantwortungsabgabe für den Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis einschließlich 2. Oktober 1990 mangels einer Rechtsgrundlage für rechtswidrig erachtet hatten, erließ der Beklagte antragsgemäß am 28. April 1998 gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Abgabenfestsetzungsbescheide (Akte des Beklagten Bl. 65 und 66). Die Getreide-Mitverantwortungsabgabe wurde hinsichtlich der Lieferungen an die Getreidehandel L GmbH i.H. von 47.019,45 DM und hinsichtlich der Lieferungen an die L K GmbH i.H. von 10.703,88 DM herabgesetzt; diese Beträge wurden der Klägerin gemäß § 37 Abs. 2 AO erstattet. Mit Schreiben vom 18. Mai 1998 hatte die Klägerin „gegen die Abgabenänderungsbescheide” Einspruch eingelegt (Bl. 71 der Akte des Beklagten). Darin heißt es unter anderem: „Ebenfalls wird gegen Ihren Abgabenänderungsbescheid Einspruch eingelegt, da er gemäß § 233a Abgabenordnung keine Aussage über die Verzinsung des von uns bezahlten Betrages enthält.” Im Rahmen des Einspruchsverfahrens hatte der Beklagte die Mitverantwortungsabgabe hinsichtlich der Lieferungen an die Getreidehandel L GmbH i.H. von weiteren 7.327,39 DM herabgesetzt und erstattet (Bescheid vom 9. September 1998, Bl. 77 der Akte des Beklagten). Nachdem der Beklagte hinsichtlich der begehrten Verzinsung der erstatteten Beträge keine Entscheidung getroffen hatte, machte die Klägerin mit Schreiben vom 27. Mai 1999 (Bl. 97 der Akte des Beklagten) unter anderem geltend: „Weiterhin vermisse ich die Reaktion Ihrerseits zum Einspruch, da der Bescheid keinerlei Aussage über die Verzinsung der von uns bezahl...