rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Psychologisches Gutachten der Bundesagentur für Arbeit als ausreichender Nachweis für eine geistige Behinderung des Kindes und einen darauf gestützten Kindergeldanspruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein psychologisches Gutachten des psychologischen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit kann ein ausreichender Nachweis dafür sein, dass das volljährige Kind aufgrund einer stark ausgeprägten Lernbehinderung i.S. des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX geistig behindert und deswegen kindergeldrechtlich nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist; das gilt auch dann, wenn bislang noch keine amtliche Feststellung des Grads der Behinderung beantragt worden ist.
2. Die starke Lernbehinderung des Kindes ist ursächlich für dessen Unfähigkeit zum Selbstunterhalt, wenn das Kind ausweislich des Gutachtens aufgrund seiner Lernbehinderung nur in Form „Unterstützter Beschäftigung” oder anderer Integrationsmaßnahmen an Anlern- oder Helfertätigkeiten herangeführt werden kann, derzeit aber auch dafür nicht geeignet erscheint, und wenn diese Bewertung dadurch untermauert wird, dass sich das Kind nachweislich bereits über einen längeren Zeitraum mehrfach erfolglos für Anlern- oder Helfertätigkeiten beworben hat.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3; SGB IX § 2 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.01.2013 verpflichtet, zugunsten der Klägerin Kindergeld für den Sohn C., geboren am 14.09.1988, ab September 2011 festzusetzen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob der am 14.09.1988 geborene Sohn der Klägerin C. in den Streitmonaten September 2011 bis Januar 2013 kindergeldrechtlich zu berücksichtigen ist.
Der Sohn der Klägerin wurde von der Beklagten bis einschließlich August 2011 nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz – EStG – kindergeldrechtlich berücksichtigt, weil er bis dahin an einer durch die Agentur für Arbeit geförderten Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung” teilnahm, die monatlich mit 212 Euro vergütet wurde. Gemäß einer Mitteilung der Agentur für Arbeit G. an die Familienkasse vom 09.08.2011 war C. bis zum 12.07.2011 als Bewerber für eine berufliche Ausbildungsstelle registriert. Er war am 17.06.2011 für eine Eignungsabklärung beim ärztlichen oder psychologischen Dienst der Bundesagentur für Arbeit vorgesehen. Das Ergebnis der Begutachtung wurde ihm am 13.07.2011 mitgeteilt. Seit dem ist er als Arbeitssuchender gemeldet. Nach dem Ergebnis der Untersuchung des psychologischen Dienstes ist eine Ausbildung nicht möglich, weshalb er seit dessen Eröffnung nicht mehr als ausbildungssuchend geführt werde. Gemäß dem psychologischen Gutachten der Bundesagentur für Arbeit bestätigte sich das Ergebnis eines ebensolchen Gutachtens vom März 2010, dass eine stark ausgeprägte Lernbehinderung vorliege. Eine in Rede stehende Ausbildung zum Fachlageristen, die Anlass für die neuerliche Begutachtung war, stelle für C. eine Überforderung dar. Die seit September 2010 laufende Unterstützte Beschäftigung sollte weiter geführt werden. In seinem Gutachten vom 16.03.2010 war der Psychologe der Bundesagentur für Arbeit aufgrund leistungsdiagnostischer Untersuchungen zur Feststellung der Lernbehinderung des Kindes C. gekommen. Als starke Hemmnisse für eine erfolgsversprechende Integration in Ausbildung erweise sich C.s geringes Selbstvertrauen und seine größeren Befürchtungen, den Lernanforderungen im Verlauf einer Berufsausbildung nicht entsprechend zu können. Dadurch bestehe die Tendenz, bei Schwierigkeiten im Umgang mit theoretischen Anforderungen aufzugeben. Auch ließe sich im Gespräch keine klare Motivation für den Beginn einer Berufsausbildung erkennen. Nach diesem Erkenntnisstand empfehle sich die Orientierung auf eine Integration in Beschäftigung auf Anlern- und Helferbasis. Aufgrund der Vielzahl der bei C. zu beachtenden Faktoren, die auch seine Persönlichkeit und seine sozialen Kompetenzen betreffen, komme langfristig Unterstützte Beschäftigung ebenfalls in Betracht.
Nachdem die Beklagt mit Bescheid vom 16.06.2011 die Kindergeldfestsetzung für C. mit Ablauf des Monats August 2011 wegen des Endes der als Ausbildung bewerteten Unterstützten Beschäftigung aufgehoben hatte, beantragt die Klägerin am 26.07.2011 erneut Kindergeld für C. ab September 2011. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.08.2011 ab, da das Kind nunmehr arbeitssuchend sei, dass 21. Lebensjahr aber bereits vollendet habe. Dagegen legte die Klägerin am 22.08.2011 Einspruch ein, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 2013 als unbegründet zurückwies. C. sei im Streitzeitraum weder bei einer da...