rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beauftragung eines anderen FA mit der Durchführung einer Außenprüfung nach § 195 S. 2 AO: Erfordernis einer Ermessensausübung, Anfechtung der Prüfungsanordnung bei dem Steuerpflichtigen nicht eigens bekanntgegebener Beauftragung, Nachholung der Ermessenserwägungen im Klageverfahren nicht möglich
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein FA durch ein innerdienstliches Schreiben ein anderes FA mit der Durchführung einer Außenprüfung beim Steuerpflichtigen beauftragt, so darf das beauftragte FA anstelle der an sich zuständigen Finanzbehörde die Außenprüfung durchführen und ist zum Erlass der Prüfungsanordnung befugt, aus der sich u. a. die Ermessenserwägungen für die Beauftragung ergeben müssen, wenn der Prüfungsauftrag dem Steuerpflichtigen nicht zusammen mit der Prüfungsanordnung bekanntgegeben worden ist. Die Beauftragung i. S. v. § 195 S. 2 AO als eine vom beauftragenden FA zu treffende Ermessensentscheidung ist dann im Rechtsbehelfs- und Klageverfahren gegen die vom beauftragten FA erlassene Prüfungsanordnung zu überprüfen.
2. Enthält weder die innerdienstliche Beauftragung noch die Prüfungsanordnung des beauftragten FA nachvollziehbaren Erwägungen dafür, weshalb die Außenprüfung nicht durch das zuständige FA, sondern (gerade) durch das – auch nicht für die Einkommensteuer bzw. das Einzelunternehmen des Steuerpflichtigen zuständige – beauftragte FA vorgenommen werden sollte, sind für den Steuerpflichtigen bzw. seinen Bevollmächtigten auch keine Umstände offensichtlich, warum auch ohne nähere Begründung eine Beauftragung des beauftragten FA auf der Hand gelegen haben sollte, und werden diese Ermessenserwägungen nicht bis zur Einspruchsentscheidung über die Prüfungsanordnung nachgeholt, so ist die Prüfungsanordnung wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig und aufzuheben.
3. § 102 S. 2 FGO ermöglicht nur eine Ergänzung von Ermessenserwägungen und nicht eine vollständige Nachholung der Begründung (vgl. z. B. FG Düsseldorf, Urteil v. 5.7.2012, 14 K 3649/11 AO). Eine erstmalige Ermessensausübung bzw. die vollständige Nachholung der für die Beauftragung nach § 195 S. 2 AO maßgeblichen Ermessensgründe im finanzgerichtlichen Verfahren ist nach § 102 S. 2 FGO nicht statthaft.
Normenkette
AO § 193 Abs. 2 Nr. 2, § 195 S. 2, §§ 5, 121 Abs. 2 Nr. 2; FGO § 102 S. 2
Tenor
1. Die Prüfungsanordnungen vom 17.09.2013 wegen der Beteiligungen des Klägers an der A. AG, B. AG und C. AG, AB-Nummern 0…–…/…/.G, Steuernummern …/…/… (A. AG), …/…/… (B. AG), …/…/… (C. AG), und die sie bestätigenden Einspruchsentscheidungen vom 30.01.2014 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Prüfungsanordnungen.
Der Kläger ist beteiligt an S. er Aktiengesellschaften (A. AG, B. AG und Ferienhaus net.AG) und hält nach dem Vortrag in der Klageschrift die Aktien im Privatvermögen. Er wird steuerlich geführt bei seinem Wohnsitz-Finanzamt E. und für eine etwaige Hinzurechnungsbesteuerung nach § 18 AStG beim FA D.. Weiter unterhält er einen Gewerbebetrieb in T..
Mit Schreiben vom 28.08.2013 (Bl. 31 dA) beauftragte das FA D. das beklagte Finanzamt gemäß § 195 Satz 2 AO mit einer Außenprüfung des Klägers. Im Betreff waren u.a. angegeben:
A. AG (S.) |
StNr. …/…/… |
B. AG (S.) |
StNr. …/…/… |
H. (S.) |
StNr. …/…/… |
C. AG |
StNr. …/…/… |
Die Betriebsprüfung sollte „den Zeitraum 2008 – 2010 umfassen und sich hierbei auf alle Steuerarten und Feststellungen – auch gesonderte und einheitliche – sowie evtl. gewährte Investitionszulagen der Jahre, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung seit dem letzten geprüften Veranlagungszeitraum veranlagt/festgestellt bzw. für die Steuererklärungen eingereicht sind, erstrecken.” Die Befugnis zur Anordnung der Betriebsprüfung wurde auf den Beklagten übertragen.
Mit den insgesamt drei verfahrensgegenständlichen Prüfungsanordnungen vom 17.09.2013 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger die Durchführung von Außenprüfungen an. Darin angegeben waren die Steuernummern …/…/…, …/…/…, …/…/…. Die Prüfungsanordnungen stützte der Beklagte jeweils auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO, gab als Prüfungsgegenstand „Gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 18 AStG i.V.m. § 7-14 AStG” sowie als Prüfungszeitraum „2008-2010” an und führte zur Begründung u.a. aus: Die Betriebsprüfung erfolge, da die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürften und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang der zu überprüfenden Sachverhalte nicht zweckmäßig sei. Im Rahmen der Betriebsprüfung sollten die Besteuerungsgrundlagen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Außensteuergesetz bezüglich der Bet...