Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehung eines Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 EStG im Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit der in Insovenz gefallenen GmbH. Aufwendungen der GmbH für den Erwerb eigener Geschäftsanteile keine zusätzlichen Anschaffungskosten für die Anteile der verbleibenden Gesellschafter
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist über das Vermögen einer GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden, entsteht der Auflösungsverlust eines Gesellschafters nach § 17 Abs. 4 EStG bereits vor Abschluss des Insolvenzverfahrens, wenn der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigt hat.
2. Hat beim Ausscheiden eines Gesellschafters die GmbH seine Geschäftsanteile übernommen sowie seinen Abfindungsanspruch aus freien Rücklagen befriedigt, so führt das für die verbleibenden Gesellschafter nicht zu Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG auf ihre eigenen Geschäftsanteile, wenn sie im Zusammenhang mit dem Ausscheiden weder offene noch verdeckte Einlagen in das Kapital der GmbH geleistet noch nach Fassung eines Gewinnverteilungsbeschlusses auf die Auszahlung ihnen zustehender Gewinnanteile verzichtet haben. Ein bloßes Stehenlassen von Gewinnen stellt keine anschaffungskostenerhöhende Einlage des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen dar.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1; HGB § 255 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Im Streit steht die Höhe eines vom Kläger im Streitjahr 2016 erlittenen Auflösungsverlusts gemäß § 17 EStG im Zusammenhang mit der Insolvenz einer GmbH. Der Kläger wendet sich gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2016, zuletzt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.08.2020.
An der im Handelsregister des Amtsgerichts Y eingetragenen a GmbH (GmbH) mit einem Stammkapital von 51.800 EUR hat der Kläger im Ergebnis einer 2007 stattgefundenen Verschmelzung der b × GmbH auf die a GmbH (zu den Einzelheiten vgl. Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 04.07.2019, Einkommensteuerakte Bl. 62) den Geschäftsanteil Nr. 3 (7700 EUR) und den Geschäftsanteil Nr. 4 (8700 EUR) originär gehalten. Die ursprünglich von dem früheren Mitgesellschafter C gehaltenen Geschäftsanteile Nr. 1 und Nr. 2 zu Nominalbeträgen von 9000 EUR und 8700 EUR hat der Kläger mit notariell beurkundetem Vertrag vom 17.03.2014 (… vgl. Einkommensteuerakte Bl. 30 ff.) zum Kaufpreis von 30.000 EUR erworben.
Hinsichtlich der Geschäftsanteile Nr. 5 und Nr. 6 zu Nominalwerten von 9000 EUR und 8700 EUR hatte der frühere Mitgesellschafter G gegenüber der Gesellschaft zum 31.12.2008 gekündigt und war aus ihr ausgeschieden. Sein Abfindungsanspruch wurde durch Urteil des Landgerichts Y vom 29.09.2009 auf 94.269,33 EUR festgestellt. Die GmbH hat die Anteile des Herrn G übernommen und seinen Abfindungsanspruch aus freien Rücklagen befriedigt. Die Geschäftsanteile Nr. 5 und 6 wurden in der Folge als eigene Anteile der a GmbH geführt. Auf die Gesellschafterliste gemäß Anlage zum notariellen Vertrag vom 17.03.2014 wird Bezug genommen (Einkommensteuerakte Bl. 35).
Über das Vermögen der GmbH wurde 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 21.07.2016 hat der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt (vgl. Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 04.07.2019, Einkommensteuerakte Bl. 61), die ausweislich des Schlussberichts des Insolvenzverwalters vom 25.06.2019 fortbestanden hat (vgl. Einkommensteuerakte Bl. 66). Mit Schreiben vom 10.12.2018 (Einkommensteuerakte Bl. 64) teilte der Insolvenzverwalter dem Kläger mit, dass die angezeigte Masseunzulänglichkeit fortbestehe, nach Abzug der Verfahrenskosten für die Massegläubiger nur eine geringe Quote verbleibe, und eine Verteilung auf die einfachen Insolvenzgläubiger ausscheide. Den ihm (als Gesellschafter) zustehenden Anspruch schätzte er als wertlos ein. Ergänzend wird auf den Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 25.06.2019 Bezug genommen (Einkommensteuerakte Bl. 66 ff.).
Der in der Einkommensteuererklärung 2016 geltend gemachte Veräußerungsverlust nach § 17 EStG i.H.v. 38.460 EUR (Einkommensteuerakte Bl. 8) wurde weder im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid vom 20.06.2018 (Einkommensteuerakte Bl. 2) noch in den während des Einspruchsverfahrens ergangenen Änderungsbescheiden vom 30.07.2018 und 29.11.2018 (Einkommensteuerakte Bl. 4, 6) berücksichtigt.
In der Einspruchsentscheidung vom 19.08.2020 erkannte das Finanzamt Anschaffungskosten auf die Geschäftsanteile i.H. von 46.400 EUR und mangels Veräußerungserlös einen Verlust gemäß § 17 EStG in gleicher Höhe im Streitjahr 2016 an, wovon im Ergebnis des Teileinkünfteverfahrens 27.840 EUR einkommensmindernd zum Einsatz kamen (60 % von 46.400 EUR). Anschaffungskosten des Klägers im Zusammenhang mit eigenen Anteilen der GmbH wurden nicht berücksichtigt. Auf die Einspruchsentscheidung vom 19.08.2020 und die als Anlage beigefügte Steuerber...