rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzrechtliche Entstehung des Grunderwerbsteuer-Erstattungsanspruchs bei Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erwerbers. Aufrechnungsverbot. - siehe Aktenzeichen des BFH: VII B 100/17
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Grundsätze der jüngeren BFH-Rspr., wonach für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entscheidend ist, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen wird, also die in dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen eintreten, sind nicht auf Fälle des § 17 Abs. 2 UStG beschränkt, sondern darüber hinaus allgemein auf andere Erstattungsansprüche anzuwenden. Auch mit Blick auf § 16 GrEStG ist insoweit entscheidend, ob sämtliche materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung des Erstattungsanspruchs im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erfüllt gewesen sind.
2. Der Anspruch aus § 16 GrEStG lässt die Rechtmäßigkeit der für den ursprünglichen Erwerbsvorgang vorgenommenen Besteuerung unberührt.
Normenkette
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1, § 103 Abs. 2; GrEStG § 16; AO §§ 218, 226 Abs. 1; BGB § 387
Tenor
1. Der Abrechnungsbescheid des Beklagten vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird dahingehend geändert, dass ein nicht durch Aufrechnung erloschener Erstattungsbetrag aus Grunderwerbsteuer in Höhe von EUR … festgestellt wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer vom Beklagten erklärten Aufrechnung gegen einen Grunderwerbsteuererstattungsanspruch mit Umsatzsteuerrückständen der Insolvenzschuldnerin für den Monat März 2012.
Der Kläger wurde in dem vor dem Amtsgericht … – geführten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma X GmbH (künftig: Insolvenzschuldnerin) bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom … zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die (spätere) Insolvenzschuldnerin hatte mit notariellem Kaufvertrag vom … (geändert mit notariellem Nachtrag zum Kaufvertrag vom …) ein Betriebsgrundstück in der ….Straße in … inklusive der wesentlichen Bestandteile nebst Zubehör und diverser bezeichneter Maschinen von dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der X GmbH erworben. Der Kaufpreis für Grund und Boden sowie die wesentlichen Bestandteile betrug EUR …, der Gesamtkaufpreis EUR ….
Mit Bescheid vom …. setzte der Beklagte die Grunderwerbsteuer für den steuerpflichtigen Teil des Erwerbsvorgangs in Höhe von EUR … fest. Die Insolvenzschuldnerin zahlte den festgesetzten Betrag am … in voller Höhe.
Für die Insolvenzschuldnerin wurde am … eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Es kam weder zu einer Kaufpreiszahlung hinsichtlich des Grundstücks durch die Insolvenzschuldnerin noch zu einer Eintragung der Insolvenzschuldnerin als Eigentümerin. Nach dem Vortrag des Klägers war die Fälligkeit des Grundstückskaufpreises nicht eingetreten; ausweislich einer Mitteilung des beurkundenden Notars an den Beklagten vom … wurde der Kaufpreis aufgrund Insolvenz der Insolvenzschuldnerin nicht gezahlt.
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde am … eröffnet. Mit Schreiben an den Insolvenzverwalter der X GmbH vom … lehnte der Kläger die Erfüllung des notariellen Kaufvertrages vom … gemäß § 103 Abs. 2 InsO ab und stimmte gleichzeitig einer Löschung der zugunsten der Insolvenzschuldnerin eingetragenen Auflassungsvormerkung zu. Die Auflassungsvormerkung wurde am … im Grundbuch gelöscht. Ebenfalls am … wurde für das Grundstück eine Auflassungsvormerkung für die Firma Y GmbH aus … eingetragen.
Der Beklagte hob den Grunderwerbsteuerbescheid vom … wegen Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges am … auf und verrechnete das Guthaben von EUR … mit einer zum damaligen Zeitpunkt in Höhe von EUR … gegen die Insolvenzschuldnerin festgesetzten Umsatzsteuerforderung für den Monat März 2012. Der Beklagte übersandte am … eine entsprechende Umbuchungsmitteilung an den Kläger. Dieser Umbuchungsmitteilung widersprach der Kläger und beantragte die Erstattung des Grunderwerbsteuerbetrages zur Masse bzw. den Erlass eines Abrechnungsbescheids unter Berufung auf das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Am … erließ der Beklagte den verfahrensgegenständlichen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 AO, mit dem die Aufrechnung der Grunderwerbsteuerrückerstattung aus dem Bescheid vom … in Höhe von EUR … mit der Umsatzsteuerforderung für den Monat März 2012 der Insolvenzschuldnerin für zulässig erklärt wurde. Hiergegen legte der Kläger am … Einspruch ein.
Im November 2015 änderte der Beklagte ...