rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch für ein kurz vor Eintritt der Volljährigkeit gegen den Willen der Eltern bei der Großmutter lebendes Kind
Leitsatz (redaktionell)
Wenn das mit den Eltern zerstrittene und aus dem Elternhaus ausgezogene Kind zwar gegen den Willen der Eltern bei der Großmutter lebt, die Eltern jedoch im familiengerichtlichen Verfahren von rechtlichen Schritten zur Rückführung des Kindes wegen dessen unmittelbar bevorstehender Volljährigkeit abgesehen haben, eine dem Kind angekündigte Anzeige bei der Polizei nicht erhoben und auch anlässlich eines von der Polizei begleiteten Besuchs des Kindes im Elternhaus keine rechtlichen Schritte zur Rückführung des Kindes unternommen haben, so ist die Großmutter nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG vorrangig kindergeldanspruchsberechtigt und die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gegenüber einem Elternteil rechtmäßig.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 2 S. 1, Abs. 5, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, werden der Klägerin auferlegt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin bezog für ihren am 2000 geborenen Sohn A Kindergeld. Am 14. Februar 2018 teilte dieser der Beklagten mit, er sei am 12. September 2017 wegen Unstimmigkeiten bei seinen Eltern ausgezogen und lebe jetzt bei seinen Großeltern. Seine Eltern hätten ihm weder Unterhalt noch Kindergeld zukommen lassen. Er würde gerne das Kindergeld beantragen, weil seine Eltern es seit seinem Auszug im September einbehalten würden.
A beantragte weiterhin am 19. März 2018 bei dem Familiengericht E Maßnahmen nach § 1666 BGB, weil er seit dem 12. September 2017 bei seinen Großeltern lebe. Eine Rückkehr sei ihm versagt worden, u.a. sei sein Zimmer ausgeräumt worden. Er beantragte, dass Regelungen zu seiner Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und des Rechts zur Beantragung öffentlicher Hilfen getroffen würden. Falls eine Pflegschaft angeordnet werde, bitte er, dass seine Großmutter X – die Beigeladene – diese übernehme. Aufgrund der Differenzen mit seinen Eltern verweigerten diese jegliche Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und der Schulsozialarbeiterin.
A legte dem Familiengericht eine SMS vom 18. November 2017 vor, die lautet: „Hallo A ! Da wir das Aufenthaltsbestimmungsrecht für dich haben, wirst du dich bis zum 25.11.2017 zu Haus einfinden. Wenn nicht, werden wir eine Klage und Anzeige bei der Polizeibehörde anstreben gegen Frau X. Frau X ist verpflichtet, dich nach Hause zu schicken und hat sich nicht in unsere Familie einzumischen (…) Wir freuen uns auf dich, bis bald, deine Eltern” (Klammerzusatz hinzugefügt). A antwortete: „Laut Jugendamtsmitarbeiter darf ich selbst bestimmen, wo ich wohne. Deshalb sind deine Drohungen vergebens. Es geht in dem Konflikt um euch und mich, nicht um die Frau X. Meine Entscheidungen habe ich selbst – ich bin 17 Jahre alt. Weitere Schritte leite ich ein.” Die Antwort hierzu lautete am 18. November 2017 „Wenn Du meinst. Mit deiner Naivität wirst du nicht weit kommen. Schöne Weihnachten” (Blatt 4 der familiengerichtlichen Akte 2 F 138/18).
In dem familiengerichtlichen Verfahren ließen sich die Klägerin und ihr Ehemann am 8. April 2018 dahingehend ein, dass sie A die Rückkehr nach Hause nie verwehrt hätten (Blatt 10 ff. der familiengerichtlichen Akte 2 F 138/18). Sie erklärten weiter, A habe seine Krankenkarte und Personalausweis am 23. November 2017 mit der Polizei abgeholt. Ihnen, den Eltern, sei anwaltlich empfohlen worden, beim Familiengericht einen Antrag auf Kindesherausgabe zu stellen. Im Familiengericht sei ihnen gesagt worden, sie sollten einen Anwalt beauftragen. Da aber die Bearbeitung eines solchen Antrages ca. drei Monate dauere und A dann 18 sei, habe dies keinen Sinn. Sie hätten das Amtsgericht dann verlassen und im Ergebnis nach anwaltlicher Beratung einen solchen Antrag nicht gestellt. Auch ein Besuch beim Jugendamt sei ohne Erfolg geblieben. Sie hätten ihrem Sohn angeboten, ihm das Kindergeld auf ein eigenes Konto zu überweisen. Als Alternative könne er das Geld auch abholen. Hierzu sei es aber nicht gekommen. Im Übrigen wird auf die Einlassung der Eltern vom 8. April 2018 beim Familiengericht Bezug genommen. A hat den Antrag dort am 6. Mai 2018 zurückgezogen.
Auf Anfrage teilte die Klägerin der Beklagten am 23. März 2018 und 28. April 2018 (Blatt 60, 69 der Behördenakte) mit, ihr Sohn halte sich gegen ihren Willen bei seiner Großmutter auf. Mehrmalige Aufforderungen, das Kindergeld abzuholen oder ein eigenes Konto zu benennen, habe er ignoriert. Sie habe ihm mehrfach angeboten, zu ihr zurückzukehren. Die Großmutter habe keinen vorrangigen Anspruch auf Kindergeld, da ihr Verhalten illegal sei. Sie sei mehrfach aufgefordert worden, das Kind herauszugeben.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 2018 hob die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für A ab Mai 2018 auf, da er nicht mehr im Haushalt der Eltern, sondern im Haushalt der Groß...