rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldberechtigung bei ausländischem Wohnsitz setzt tatsächlich bestehende Einkommensteuerpflicht in Deutschland voraus

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Anwendung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG liegt eine Behandlung „nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig” nur für die Kalendermonate vor, in denen der Kindergeldberechtigte Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielt, die nach § 1 Abs. 3 EStG der Einkommensteuer unterliegen.

2. Der Anspruch auf Kindergeld gem. § 62 EStG setzt eine tatsächlich bestehende, echte Steuerpflicht in Deutschland voraus.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst.b, § 64

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.02.2022; Aktenzeichen III R 7/20)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird für den Kindergeldzeitraum von Oktober 2015 bis September 2017 zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Kindergeldberechtigung bei ausländischem Wohnsitz.

Die in Polen wohnende Klägerin stellte unter dem 19. Oktober 2015 bei der Beklagten einen Antrag auf Kindergeld für ihre Kinder … und …. Die Unterschrift des Kindesvaters fehlte. Dieser ließ im Mai 2016 mitteilen, er sei erst für die Zeit ab Antragseingang mit der Gewährung des Kindergeldes an die Klägerin einverstanden. Für die Zeit davor beanspruche er das Kindergeld selbst, da er die Familie unterhalten habe. Die Klägerin schrieb der Beklagten daraufhin, sie führe mit dem Kindesvater keinen gemeinsamen Haushalt, die Kinder lebten bei ihr in Polen. Die Beklagte bat die Klägerin mitzuteilen, ab wann sie und der Kindesvaters getrennt lebten, und Meldebescheinigungen hierzu einzureichen. Die Klägerin kam dem nicht nach.

Mit Bescheid vom 10. Mai 2017 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die Klägerin unter anderem zum Trennungsdatum keine Angaben gemacht und Nachweise dazu, wann der Kindesvater den gemeinsamen Haushalt verlassen habe, nicht vorgelegt habe. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin trägt vor, sie und der Kindesvater würden vom Finanzamt … für die Zeiträume 2011 bis 2015 als unbeschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geführt. Hierzu hat sie Bescheinigungen des genannten Finanzamts vorgelegt, nach denen die Klägerin und der Kläger in den Jahren 2011 bis 2015 gemäß § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt worden seien; Einkünfte seien während des gesamten jeweiligen Jahres erzielt worden. Da die Bescheinigungen – so die Klägerin weiter – für die Beklagte bindend seien, stehe ihr das Kindergeld auch unter Berücksichtigung von § 64 EStG zu. Seit 2017 lebe der Kindesvater gemeinsam mit seiner neuen Lebensgefährtin und deren gemeinsamen Kind in …. Er habe im Streitzeitraum in … ein Gewerbe betrieben. Die Klägerin hat die Steuererklärungen der Jahre 2011 bis 2015 vorgelegt, nach denen die Klägerin in den genannten Jahren mit dem Kindesvater zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde. Einkünfte sind lediglich für den Kindesvater ausgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 10. Mai 2017 sowie der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2017 zu verpflichten, der Klägerin mit Wirkung ab Januar 2011 Kindergeld für ihre Kinder … und … zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin habe die Anspruchsvoraussetzungen nicht nachgewiesen.

Mit Bescheid vom 6. April 2018 hat die Beklagte der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin für beide Kinder Differenzkindergeld für die Zeit von Februar bis September 2014 bewilligt. Sie hat insoweit die Erledigung des Rechtsstreits erklärt. Die Klägerin hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zum Streitfall übergebene Kopie der Kindergeldakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Soweit die Beklagte der Klage durch Gewährung von Differenzkindergeld teilweise abgeholfen hat, ist die Klage unzulässig geworden. Ihr fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis.

Ebenso ist die Klage unzulässig, soweit Kindergeld ohne zeitliche Beschränkung, das heißt über den Monat des Erlasses der Einspruchsentscheidung hinaus begehrt wird.

Der Anspruch auf Kindergeld kann grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer gerichtlichen Inhaltskontrolle gemacht werden, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Der zeitliche Regelungsumfang eines Ablehnungsbescheids wird durch die Klageerhebung nicht verändert. Insbesondere ist das gerichtliche Verfahren keine Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens. Im Hinblick auf die von der Verfassung vorgegebene Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes) ist es die Aufgabe der Gerichte, das b...

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