Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeldanspruch bei Haushaltsaufnahme des Kindes in einem anderen EU-Mitgliedstaat und Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen durch den anderen Elternteil

 

Leitsatz (redaktionell)

Weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Gemeinschaftsrecht besteht ein Kindergeldanspruch eines Elternteils, der ein zu berücksichtigendes Kind in seinen Haushalt in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen hat, wenn der andere, nicht betreuende Elternteil die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 EStG erfüllt.

 

Normenkette

EStG §§ 31, 62, 74; EGV 883/2004 Art. 67-68; EGV 987/2009 Art. 60 Abs. 1 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.07.2017; Aktenzeichen III R 17/16)

BFH (Urteil vom 27.07.2017; Aktenzeichen III R 17/16)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für ihre in P.-Ausland lebende Tochter.

Die Klägerin ist P.-Ausland Staatsangehörige und Mutter der am 1. Februar 2010 geborenen Tochter N. M.. Sie wohnte zusammen mit dem Kindesvater und Ehemann T. W. M. zeitweise in B. und bezog ab Februar 2010 von der Familienkasse C. Kindergeld für die gemeinsame Tochter. Im Juli 2011 trennten sich die Eheleute und die Klägerin kehrte zurück nach P.-Ausland. Dort wohnt und lebt die Klägerin seitdem zusammen mit ihrer Tochter in dem Dorf Wc..

Die Familienkasse C. stellte im August 2011 die Kindergeldzahlung ein und hob mit Bescheiden vom 16. August 2011 und 13. September 2011 die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG ab August 2011 auf. Ebenfalls im August 2011 beantragte die Klägerin im eigenen Namen bei der Familienkasse N. deutsches Kindergeld für ihre Tochter N.. Der Kindesvater wirkte in dem Verfahren auf Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld trotz Aufforderung der Familienkasse nicht mit.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2015 – gerichtet an die Klägerin – lehnte die Familienkasse B. den „Antrag der Klägerin auf Kindergeld für das Kind N. M.” ab. Den Einspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30. November 2015 zurück, da in der Person des Kindesvaters die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 1 EStG nicht erfüllt bzw. nicht nachgewiesen seien.

Die Klägerin trägt vor, dass der Kindesvater in Deutschland bei der Firma Sch. GmbH & Co. KG in H.-D. beschäftigt sei. Dessen konkreter Aufenthaltsort sei ihr jedoch nicht bekannt. Er verletze der Klägerin und der Tochter gegenüber seine gesetzliche Unterhaltspflicht.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag auch als Abzweigung des Kindergeldes an das Kind selbst eine neue Entscheidung herbeizuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Anspruch auf Kindergeld nicht bestehe. Auch die Abzweigung nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG komme mangels Kindergeldfestsetzung nicht in Betracht. Der Abzweigungsantrag sei zudem gemäß § 44 FGO bereits unzulässig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die zu Gericht gereichte Behördenakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2016 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Senat hat den Antrag der Klägerin dahingehend ausgelegt, die Beklagte zu verpflichten, ihr als Anspruchsberechtigte für die Tochter N. Kindergeld für den Zeitraum August 2011 bis November 2015 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Familienkassen mit dem ablehnenden Bescheid vom 31. Juli 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2015 jeweils über den eigenen Kindergeldanspruch der Klägerin entschieden haben, auch wenn zur Begründung auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen nach § 62 EStG beim Kindesvater abgestellt worden sei. Entsprechend ist auch der Kindergeldantrag der Klägerin vom August 2011 nach dem objektiven Erklärungswert auszulegen. In einem gleichzeitig eingereichten Schriftsatz bei der Familienkasse vom 8. August 2011 legte die Klägerin dar, dass das Kind nach der Trennung der Eltern in ihrem Haushalt lebe und ihr daher das Kindergeld nach dem Einkommen(steuer)gesetz zustehe. Ein Antrag auf Festsetzung von Kindergeld zugunsten des Kindesvaters für das Kind N. verbunden mit dem Antrag auf Abzweigung nach § 74 EStG wäre dagegen mangels eines entsprechenden Antrages bei der Familienkasse und des fehlenden Einspruchsverfahrens unheilbar unzulässig (Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 5. Februar 2003 – VII B 268/02, juris).

II.

Die Klägerin hat für den streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter N..

Nach § 62 Abs. 1 EStG hat Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Au...

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