Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltpunkte für Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 und in § 307d SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Zum Zusammentreffen von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Kindererziehungszeiten.
Orientierungssatz
1. § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 bewirkt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (vgl BVerfG vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 = BVerfGK 12, 81).
2. Auch im Hinblick auf den in § 307d SGB 6 geregelten Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 12. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer höheren Altersrente für Frauen ab dem 1.4.2015 unter Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten neben gleichzeitigen Pflichtbeitragszeiten für eine pflichtversicherte Beschäftigung hat.
Die 1951 geborene Klägerin beantragte am 19.12.2014 bei der Beklagten eine Altersrente für Frauen (§ 237a SGB VI). Hierauf bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 21.1.2015 in Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 5.6.2015 eine Altersrente für Frauen ab dem 1.4.2015. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 31.3.2015 erfüllt. Die Höhe der laufenden Zahlung betrage ab dem 1.4.2015 monatlich 1.575,15 € (ab dem 1.7.2015 monatlich 1.614,76 €) abzüglich der Beitragsanteile zur Krankenversicherung in Höhe von 114,98 € (117,87 €) und 12,60 € (12,92 €) Zusatzbeitrag zur Krankenkasse und Beitragsanteile zur Pflegeversicherung in Höhe von 37,02 € (37,95 €), mithin monatlich 1.410,55 € (ab dem 1.7.2015 monatlich 1.446,02 €). Berücksichtigt worden seien Zeiten der Kindererziehung für Y. (geb. 1975) für den Zeitraum 1.10.1975 bis 30.9.1977 und für X. (geb. 1978) für die Zeit vom 1.6.1978 bis 31.5.1980. Zu berücksichtigen seien persönliche Entgeltpunkte (Ost) bei der Klägerin in Höhe von 59,6952. Davon entfielen insgesamt 3,0056 Entgeltpunkte (Ost) auf die Kindererziehungszeiten. Im Einzelnen stelle sich die Summe der Entgeltpunkte (Ost) wie folgt dar: Die Entgeltpunkte Ost für Beitragszeiten beliefen sich auf 58,4089. Davon entfielen 3,1178 Entgeltpunkte (Ost) auf Kindererziehungszeiten. Hinzu kämen für beitragsfreie Zeiten 2,6603 Entgeltpunkte (Ost) und zusätzlich für beitragsgeminderte Zeiten 0,8553 Entgeltpunkte (Ost), in der Summe 61,9245 Entgeltpunkte (Ost) bei einer Verminderung für 12 Kalendermonate von 0,036 und einem Zugangsfaktor von 0,964 insgesamt 59,6952 Entgeltpunkte (Ost). Dabei begrenzte die Beklagte die zu berücksichtigenden Entgeltpunkte, die sich für Kindererziehungszeiten neben Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung in den Monaten Oktober 1976 bis Dezember 1976, Januar 1977 bis September 1977 und Januar 1980 bis Mai 1980 ergaben, auf die Höchstbeträge der Anlage 2b zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI), so dass für diese Zeiten die zusätzlichen Entgeltpunkte für Zeiten der Kindererziehung von monatlich 0,0833 Entgeltpunkten reduziert wurden.
Den hiergegen am 4.2.2015 erhobenen Widerspruch, den die Klägerin im Wesentlichen mit einem Verweis auf die Ausführungen des Sozialgerichts Neubrandenburg im Beschluss vom 12.1.2012 - S 4 RA 152/03 - begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.7.2015 zurück. Nach der Rechtsprechung sei eine Begrenzung der errechneten Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten unter Berücksichtigung der Entgeltpunkte für sonstige Beitragszeiten auf die Werte der Anlage 2b zum SGB VI verfassungsgemäß. Die Beklagte verwies hierzu u. a. auf den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 - und das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R -.
Hiergegen hat sich die am 20.8.2015 zum Sozialgericht Dresden erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin weiterhin begehrt hat, für Zeiten des Zusammentreffens von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Pflichtbeiträgen wegen Kindererziehung bei Anwendung von § 70 Abs. 2 SGB VI keine Begrenzung der Entgeltpunkte auf die Höchstwerte nach Anlage 2b zum SGB VI vorzunehmen. § 70 Abs. 2 SGB VI i. V. m. der Anlage 2b zum SGB VI sei mit den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Urteil vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94) entwickelten Grundsätzen zur Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen in der Sozialversicherung nicht vereinbar. Das BVerfG habe entschieden, dass es mit Artikel 3 Abs. 1 i. V. m. Artikel 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sei, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbeitrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigk...