Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung von Versorgungsverträgen von Pflegeeinrichtungen. Umfang der Anhörung Beteiligter
Orientierungssatz
1. Die Behörde muss, damit die Anhörung als ordnungsgemäß iS des § 24 SGB 10 angesehen werden kann, den beabsichtigten Verwaltungsakt nach Art und Inhalt mit der geforderten Handlung, Duldung oder Unterlassung so konkret umschreiben, dass für den Beteiligten hinreichend klar und erkennbar ist, weshalb und wozu er sich äußern können soll und mit welcher eingreifenden Entscheidung und zu welchem Zeitpunkt er in etwa zu rechnen hat.
2. Bei einer Kündigung von Versorgungsverträgen gemäß § 74 Abs 2 SGB 11 setzt eine ordnungsgemäße Anhörung voraus, dass die Sachverhalte zur Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten bezeichnet werden und die Bewertung, welcher der Verstöße als derart gröblich angesehen wird, dass ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar ist.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 02.11.2000 abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 26.06.1998 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagten haben der Klägerin als Gesamtschuldner die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Kündigungen der Versorgungsverträge über eine Kurzzeitpflegeeinrichtung sowie des ambulanten Pflegedienstes.
Die Klägerin betrieb in der K.straße . in D. eine Kurzzeitpflegeeinrichtung.
Mit Wirkung ab 01.04.1995 war die Klägerin aufgrund des Versorgungsvertrages vom 01.09.1995 zur Erbringung ambulanter Pflegeleistungen zugelassen.
Mit Wirkung ab 01.01.1997 schloss die Klägerin mit den Landesverbänden der Pflegekassen einen Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI für Leistungen der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Vereinbarung Bezug genommen.
Mit Anhörungsschreiben vom 05.03.1998, das im Briefkopf den Arbeitskreis der Verbände der gesetzlichen Pflegekassen im Freistaat Sachsen" ausweist, wurde die Klägerin auf Defizite in der Versorgung hingewiesen. Als Mitglieder des Arbeitskreises sind die AOK Sachsen, der BKK-Landesverband Ost, der IKK-Landesverband Ost, die VdAK-Landesvertretung Sachsen, die AEV-Landesvertretung Sachsen, die Bundesknappschaft, die Pflegekasse für den Gartenbau und die Landwirtschaftliche Krankenkasse angegeben.
Es lägen Informationen vor, nach denen mit der personellen Ausstattung der Kurzzeitpflegeeinrichtung und des ambulanten Pflegedienstes keine bedarfsgerechte, gleichmäßige sowie fachlich qualifizierte Pflege gewährleistet sei. Leistungen der Behandlungspflege seien von nicht qualifiziertem Personal erbracht worden. Zur Übung der Verabreichung von Spritzen sei das Setzen von Spritzen mit Kochsalzlösungen durchgeführt worden; dies sei an einer verstorbenen Person geprobt worden.
Pflegebedürftige seien außerhalb der zugelassenen Kurzzeitpflegeeinrichtung im A.weg in D. untergebracht gewesen. Bei Notwendigkeit ärztlicher Versorgung seien die Personen in die Einrichtung in die K.straße verbracht worden. Ein im A.weg untergebrachter Pflegebedürftiger sei dort nach Krampfanfällen verstorben, ohne dass ärztliche Hilfe hinzugezogen worden sei. Eine Pflegebedürftige sei als Arbeitskraft in der Küche der Kurzzeitpflegeeinrichtung eingesetzt. Im Vorfeld von Begutachtungen zur Feststellung der Pflegestufe seien den Bewohnern Beruhigungsmittel verabreicht worden.
Im Rahmen der häuslichen Pflege seien von den versorgten Personen Blanko-Leistungsnachweise unterzeichnet worden.
Darüber hinaus lägen Informationen vor, dass Pflegebedürftige aufgrund unzulänglicher pflegerischer Betreuung und einer verspäteten Hinzuziehung ärztlicher Hilfe verstorben seien. Eine Lungenentzündung sei nicht ärztlich behandelt worden, so dass die Pflegebedürftige verstorben sei. Am 10.01.1998 solle es wegen einer durch unzulänglich qualifiziertes Personal vorgenommenen Pflege zu einem Todesfall gekommen sein.
Die Ausstattung der Einrichtung sei mangelhaft. Es fehlten Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel, Schutzhandschuhe und Utensilien zur Blutzuckerbestimmung.
Die Verpflegung sei ebenfalls mangelhaft. Speisen und Getränke stünden nicht in ausreichender Menge zur Verfügung.
Die Einrichtung sei überbelegt. Über die im Versorgungsvertrag vereinbarte Platzkapazität (11 Betten) würden in 2-Bett-Zimmern drei Personen untergebracht.
Für in der Kurzzeitpflege untergebrachte Pflegebedürftige würden Leistungen der ambulanten Pflege abgerechnet.
Zur Aufklärung des Sachverhalts werde um Stellungnahme gebeten. Ferner wurde auf den Wortlaut von § 74 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XI hingewiesen, wonach ein Versorgungsvertrag mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden könne, wenn die zugelassene Pflegeeinrichtung nicht nur vorübergehend eine der Voraussetzungen des § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI nicht mehr erfülle sowie der Versorgungsvertrag auch ohne Einhaltung...