Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermittlungsgutschein. Rechtscharakter. Geltungsdauer. Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung. Aufhebungs- bzw Rücknahmeentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vermittlungsgutschein im Sinne von § 421g SGB 3 hat den Rechtscharakter eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 31 SGB 10.
2. § 421g Abs 1 S 6 SGB 3 ist dahingehend zu verstehen, dass in Bezug auf die Geltungsdauer eines Vermittlungsgutscheines eine gesetzliche Obergrenze vorgegeben ist, von der dann nach unten abzuweichen ist, wenn die Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein bereits vor dem Ende des dreimonatigen Zeitraumes nicht mehr gegeben sind.
3. Der Vermittlungsgutschein kann gegenüber dem beigeladenen Arbeitnehmer nach Maßgabe der §§ 45 und 48 SGB 10 iVm § 330 SGB 3 aufgehoben werden.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Auszahlung von 1.000,00 EUR aus einem Vermittlungsgutschein.
Auf Antrag der Beigeladenen stellte die Beklagte dieser am 21. Oktober 2008 einen Vermittlungsgutschein über 2.000,00 EUR mit einer Gültigkeitsdauer vom 21. Oktober 2008 bis 20. Januar 2009 gemäß § 421g des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) aus.
Am 21. November 2008 schied die Beigeladene aus dem Arbeitslosengeldbezug aus.
Am 16. Januar 2009 schloss die Beigeladene auf Vermittlung des Klägers einen Arbeitsvertrag als Callcenteragentin bei der Firma M… GmbH zum 1. Februar 2009 ab.
Der Kläger beantragte für die Vermittlung der Beigeladenen in diese Tätigkeit bei der Beklagten am 17. März 2009 die Auszahlung von 1.000,00 EUR aus dem Vermittlungsgutschein.
Mit Bescheid vom 17. April 2009 lehnte die Beklagte die Auszahlung des Vermittlungsgutscheins ab. Der Arbeitsvertrag der Beigeladenen sei nicht innerhalb der Gültigkeits-dauer des Vermittlungsgutscheins abgeschlossen worden. Dieser sei nur bis zum 20. November 2008 gültig gewesen, weil ab dem 21. November 2008 die Voraussetzungen des § 421g Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht mehr vorgelegen hätten.
Der Kläger legte dagegen mit Schreiben vom 23. April 2009 Widerspruch ein. Mit der Vermittlung der Beigeladenen in Arbeit sei er seiner Verpflichtung zur Vermittlung der Beigeladenen in ein Arbeitsverhältnis nachgekommen. Es habe keine Auskunft der zuständigen Arbeitagentur gegeben, dass der Vermittlungsgutschein keine Gültigkeit mehr habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zwar sei der Vermittlungsgutschein für die Zeit vom 21. Oktober 2008 bis 20. Januar 2009 ausgestellt worden. Der Anspruch der Arbeitnehmerin auf Arbeitslosengeld sei jedoch mit Ablauf des 20. November 2008 erschöpft gewesen. Damit habe der Anspruch auf die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins lediglich bis zum 20. November 2008 bestanden. Die Vermittlung sei erst mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrages am 16. Januar 2009 erfolgt und somit außerhalb der Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins. Dieser stelle keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) dar, sondern sei nur eine technische Unterlage für die spätere Abwicklung der Auszahlung.
Das Sozialgericht hat auf die am 6. April 2010 erhobene Klage mit Urteil vom 22. November 2010 den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt, “dem Kläger den Vermittlungsschein … auszuzahlen.„. Zu Unrecht habe die Beklagte die Auszahlung aus dem Vermittlungsgutschein der Beigeladenen abgelehnt. Die Erteilung eines Vermittlungsgutscheines stelle eine Zusicherung gemäß § 34 SGB X dar. Nach Abgabe dieser Zusicherung habe sich die Sach- und Rechtslage in keiner Weise geändert, da der Beklagten von vornherein bekannt gewesen sei, dass der Anspruch der Beigeladenen auf Arbeitslosengeld vor Ablauf der Wirksamkeit des Vermittlungsgutscheines enden werde. Dies hätte sie im Vermittlungsgutschein ohne weiteres zum Ausdruck bringen können und sei auch ohne größeren Verwaltungsaufwand durch Prüfung der Daten der Beigeladenen möglich.
Gegen das ihr am 13. Dezember 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Dezember 2010 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie ist der Meinung, dass die Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheines durch das Erschöpfen des Arbeitslosengeldanspruches der Beigeladenen zum 20. November 2008 bereits kraft Gesetzes abgelaufen sei. Der gegenteiligen Auffassung des Sozialgerichts sei nicht zu folgen, da mit der Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines keine schriftliche Zusage ert...