Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Die Bewertungseinheit der Beteiligung an einer AG schließt die Einzelbewertung von Aktien nicht aus, sobald sie nicht mehr dazu bestimmt sind, eine dauernde Verbindung zu der AG herzustellen.
2. Bei einer vereinfachten Kapitalherabsetzung durch Einziehung unentgeltlich zur Verfügung gestellter Aktien (§ 237 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 und 5 AktG) gehen die anteiligen Buchwerte der von einem Aktionär zur Einziehung zur Verfügung gestellten Aktien mit deren Übergabe auf die dem Aktionär verbleibenden Aktien anteilig über, soweit die Einziehung bei diesen Aktien zu einem Zuwachs an Substanz führt.
3. Soweit die Einziehung der von dem Aktionär zur Verfügung gestellten Aktien bei den Aktien anderer Aktionäre zu einem Zuwachs an Substanz führt, ist der auf die eingezogenen Aktien entfallende anteilige Buchwert von dem Aktionär ergebniswirksam auszubuchen.
Normenkette
§ 71 Abs. 1 Nr. 4, § 207 Abs. 1, § 220, § 237 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, § 238 AktG, § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG; § 255 Abs. 1, § 266 Abs. 2 A. III. Nr. 3, § 271 Abs. 1 Satz 1, § 272 Abs. 1 Sätze 4 bis 6 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin – eine KG – war mit ca. 75 % am Grundkapital einer AG beteiligt. 1993 setzte die AG ihr Grundkapital im sog. vereinfachten Verfahren nach § 237 Abs. 2 bis 5 AktG um 10 Mio. DM herab. Zu diesem Zweck beschlossen die Gesellschafter, von der Klägerin 200.000 Aktien unentgeltlich einzuziehen. Die Kapitalherabsetzung sollte eine Kapitalrücklage zur Durchführung eines Sanierungsplans ermöglichen. Die Klägerin stellte die entwerteten Aktien noch 1993 zur Verfügung, die Kapitalherabsetzung wurde 1994 ins Handelsregister eingetragen.
Die Klägerin behandelte den auf die eingezogenen Aktien entfallende Buchwert in der Bilanz zum 31.12.1993 als Aufwand. Das FA vertrat die Ansicht, dass sich durch den Vorgang der Wert der Beteiligung nicht geändert habe. Die Klage blieb erfolglos (EFG 2002, 1082).
Entscheidung
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Wie bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bleibe auch bei der Kapitalherabsetzung durch unentgeltliche Einziehung von Aktien der Buchwert der verbliebenen Aktien insgesamt unverändert. In beiden Fällen repräsentiere die neue Beteiligung denselben Wert des Gesellschaftsvermögens wie die alte. Bei der hier zu beurteilenden disquotalen Einziehung gelte dies jedoch nur hinsichtlich des Anteils, mit dem die Klägerin nach der Kapitalherabsetzung noch an der AG beteiligt gewesen sei. Im Übrigen, nämlich soweit sich der durch die Kapitalherabsetzung ausgelöste Substanzzuwachs bei den Aktien der übrigen Aktionäre der AG ausgewirkt habe, habe die Klägerin im Streitjahr 1993 einen sofort abziehbaren Aufwand.
Hinweis
Eine Kapitalherabsetzung kann verschiedene Folgen haben (vgl. dazu u.a. BFH, Urteil vom 29.7.1992, I R 31/91, BStBl II 1993, 369 unter II.A.2 der Gründe). Soweit sie mit einer Ausschüttung und Rückzahlung des Kapitals verbunden ist, hat sich die Rechtsprechung des BFH zu den Rechtsfolgen bereits eingehend geäußert (vgl. u.a. BFH, Urteile vom 14.10.1992, I R 1/91, BStBl II 1993, 189 und vom 29.6.1995, VIII R 69/93, BStBl II 1995, 725). Im Streitfall geht es um die nominelle Kapitalherabsetzung, bei der im Gegensatz zur effektiven Kapitalherabsetzung keine Mittel zur Verteilung an die Gesellschafter frei werden. Diese Form der Kapitalherabsetzung wird hauptsächlich zum Ausgleich einer Unterbilanz gewählt (§§ 229 Abs. 1, 230 Satz 3 AktG). Das Stammkapital wird dem aufgrund eingetretener Verluste verminderten Vermögen der Gesellschaft angepasst. Diese "sanierende Kapitalherabsetzung" (vgl. dazu: Sommer, Die sanierende Kapitalherabsetzung bei der GmbH, 1993, passim) kann auch dadurch bewirkt werden, dass die – oder einzelne – Gesellschafter Aktien i.H.d. Herabsetzungsbetrags der Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung stellen (§ 237 Abs. 3 Nr. 1 AktG, § 34 GmbHG und die Kommentarliteratur dazu: Maser/Sommer, GmbH-Rundschau 1996, 22 f.; Döllerer, Steuerberater-Jahrbuch 1981/82, S. 195, 215 f.).
Die Auswirkungen der nominellen Kapitalherabsetzung ohne Nennkapitalrückzahlung auf der Ebene der Gesellschaft ist geklärt (zu den Folgen für das vEK vgl. BFH, Beschluss vom 7.8.2000, I R 14/99, BStBl II 2001, 258, unter II.2. der Gründe). Ungeklärt war bisher aber, wie sich die Kapitalherabsetzung durch Einziehung der Aktien auf der Ebene des Gesellschafters auswirkt.
Das FG hat angenommen, die der S-AG von der Klägerin zur Einziehung zur Verfügung gestellten Aktien könnten nicht einzeln bewertet werden, weil sie Teil der Bewertungseinheit "Beteiligung" gewesen seien, die eine Einzelbewertung der in ihr zusammengefassten Aktien ausschließe. Da die Aktien auch nach der Kapitalherabsetzung eine Beteiligung bildeten, prüfte – und verneinte – es nur die Frage, ob ggf. eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung vorzunehmen sei.
Bewertet man dagegen die eingezogenen Aktien einzeln, wie dies auch sonst bei Übertragungen aus einer Beteiligung der Fall ist, lässt sich dieses Ergebnis nicht hal...