Leitsatz
Eine Änderung bei den für die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a AO erheblichen Verhältnissen tritt mit der Eintragung in das Vereinsregister ein, so dass erst dann die Feststellung nach § 60a Abs. 4 AO mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist.
Normenkette
§ 60a AO
Sachverhalt
Mit Bescheid vom 18.11.2014 hatte das FA festgestellt, dass die Satzung des Klägers, eines Vereins, in der Fassung vom 26.11.1996 die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach §§ 51, 59, 60 und 61 AO erfüllt.
Im Februar 2015 erlangte das FA Kenntnis davon, dass der Kläger bereits am 2.9.2014 eine Satzungsänderung beschlossen hatte. Mit Schreiben vom 11.1.2016 wies das FA den Kläger darauf hin, dass die Satzungsänderung am 26.1.2015 in das Vereinsregister eingetragen worden sei; die Satzung entspreche nicht mehr den steuerrechtlichen Anforderungen. Mit gesondertem Bescheid vom 11.1.2016 hob das FA den Feststellungsbescheid vom 18.11.2014 wegen Änderung der Verhältnisse nach § 60a Abs. 4 AO"mit Wirkung ab 2.9.2014" auf. Einspruch und Klage zum FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1.11.2018, 8 K 11191/16, Haufe-Index 13215840, EFG 2019, 1052) blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und gab der Klage statt. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass der Bescheid über die gesonderte Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen mit Wirkung vom Zeitpunkt der Beschlussfassung des Klägers über die Änderung seiner Satzung aufzuheben gewesen sei. Dabei ergebe sich nichts anderes aus dem Umstand, dass das FA den Kläger mit Schreiben vom 11.1.2016 darüber informierte, dass die Satzungsänderung am 26.1.2015 in das Vereinsregister eingetragen worden sei und dass die Satzung nach seiner Auffassung nicht mehr den steuerrechtlichen Anforderungen entspreche. Zwar seien bei der Auslegung eines Bescheids grundsätzlich auch die dem Betroffenen bekannten Umstände heranzuziehen, doch sei dafür notwendig, dass diese Umstände einen eindeutigen Rückschluss erlauben. Einen solchen eindeutigen Rückschluss erlaubten die Angaben im Schreiben des FA vom 11.1.2016 schon deshalb nicht, weil der Aufhebungsbescheid wegen des erläuternden Klammerzusatzes unmissverständlich den 2.9.2014 als den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 60a Abs. 4 AO bezeichnet habe, auf den die Wirkung der Aufhebung bezogen sei.
Hinweis
1. Die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 ist nach § 60a AO gesondert festzustellen. Tritt bei den für die Feststellung erheblichen Verhältnissen eine Änderung ein, ist gemäß § 60a Abs. 4 AO die Feststellung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.
2. Die Aufhebung eines Bescheids über die gesonderte Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 4 AO setzt eine nachträgliche Änderung der für die Feststellung erheblichen Verhältnisse voraus. Für eine derartige Änderung der Satzung kommt es auf das zivilrechtliche Inkrafttreten an. Maßgeblich ist daher nicht die Beschlussfassung über die Satzungsänderung, sondern die Registereintragung. Bei einem Verein kommt es daher auf die Eintragung im Vereinsregister nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BGB an.
3. Sollte durch eine Satzungsänderung die Gemeinnützigkeit entfallen, ist im Zeitraum zwischen der Beschlussfassung und der Registereintragung zu beachten, dass es nicht zu der Aussteller- und Veranlasserhaftung nach § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG, § 9 Abs. 3 Satz 2 KStG und § 9 Nr. 5 Satz 14 GewStG kommt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.7.2020 – V R 40/18