Leitsatz
1. Beruft sich eine Körperschaft darauf, dass aus zwingenden Gründen der künftige Verwendungszweck ihres Vermögens bei Aufstellung der Satzung noch nicht nach § 61 Abs. 1 AO genau angegeben werden kann, muss sie die zwingenden Gründe substanziiert vortragen, soweit sie sich nicht bereits aus der Satzung ergeben.
2. Die Körperschaft hat die Feststellungslast dafür zu tragen, dass die Gründe im Zeitpunkt der Aufstellung der Satzung oder der Änderung der Satzungsbestimmung über die Vermögensbindung bestanden.
3. Ob ein Grund zwingend ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und obliegt der Würdigung des FG als Tatsacheninstanz.
Normenkette
§ 61 Abs. 1 AO , § 61 Abs. 2 AO
Sachverhalt
Der 1996 gegründete Kläger, ein eingetragener Verein, verfolgt nach seiner Satzung einen gemeinnützigen Zweck (konkret: die Förderung von sozialen Beschäftigungsinitiativen). Seine Satzung bestimmte in § 2 zunächst:
"Bei Auflösung des Vereins oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen des Vereins an die Stadt X ... Die Stadt darf das ihr zufallende Vermögen ebenfalls nur für gemeinnützige Zwecke verwenden."
1999 wurde diese Satzungsbestimmung durch folgende ersetzt:
"Bei Auflösung des Vereins oder bei Erledigung seines bisherigen Zwecks ist das vorhandene Vermögen nach Begleichung der Schulden zu steuerbegünstigten Zwecken zu verwenden. Die Mitgliederversammlung entscheidet mit der für die Auflösung bestimmten Mehrheit über den gemeinnützigen Zweck, dem das Vereinsvermögen zugeführt werden soll. Beschlüsse über die künftige Verwendung des Vermögens dürfen erst nach Einwilligung des Finanzamts ausgeführt werden."
Die Satzungsänderung wurde in das Vereinsregister eingetragen.
Das FA veranlagte den Kläger für das Jahr 1997 (Streitjahr) zur Körperschaftsteuer. Es vertrat die Auffassung, der Kläger sei nicht gemeinnützig, sondern eigenwirtschaftlich tätig, da er im Auftrag der Stadt X Dienstleistungen gegen Entgelt erbringe.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (EFG 2003, 1214).
Entscheidung
Das wurde im Ergebnis vom BFH bestätigt.
Das FG habe in tatsächlicher Hinsicht und für den Senat gem. § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, dass weder aus dem Vortrag des Klägers noch anderweitig zu erkennen sei, aus welchen Gründen dem Kläger eine den Anforderungen des § 61 Abs. 1 AO entsprechende genaue Bestimmung des künftigen Verwendungszwecks des Vermögens unmöglich gewesen sein könnte. Es fehle eine Begründung für die Änderung der Satzung. Der Kläger habe gegen die Feststellungen des FG auch keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht (§ 118 Abs. 2 FGO).
Folglich müsse er sich die Feststellungsdefizite steuerlich zurechnen lassen.
Hinweis
1. Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG ist eine Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie nach ihrer Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken (= steuerbegünstigte Zwecke; siehe § 51 Satz 1 AO) dient. Welche Voraussetzungen die Körperschaft hinsichtlich ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung im Einzelnen erfüllen muss, um die Steuerbefreiung zu erlangen und zu bewahren, ist in den §§ 52 ff. AO geregelt (§ 51 Satz 1 AO).
2. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AO setzt die Steuerbefreiung u.a. voraus, dass bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf (sog. Grundsatz der Vermögensbindung). Diese Voraussetzung wird auch erfüllt, wenn das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks auf eine andere steuerbegünstigte Körperschaft oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke übertragen werden soll (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO).
3. Die Vermögensbindung muss in die Satzung der Körperschaft aufgenommen werden. Gem. § 61 Abs. 1 AO liegt eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Wird die satzungsmäßige Bestimmung über die Vermögensbindung nachträglich so geändert, dass sie nicht mehr den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO entspricht, gilt sie von Anfang an als steuerlich nicht ausreichend (§ 61 Abs. 3 Satz 1 AO).
4. Es ist im Einzelfall denkbar, dass den formellen satzungsmäßigen Anforderungen vorab nicht genügt werden kann. Für diesen Fall genügt es nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn in der Satzung bestimmt wird, dass das Vermögen bei Auflösung der Körperschaft oder bei Erledigung ihres bisherigen Zwecks zu steuerbegünstigten Zwecken zu...