Rz. 8
Stellt die Agentur für Arbeit fest, dass ein Arbeitsausfall entgegen der Erklärung des Arbeitgebers nicht Folge eines Arbeitskampfers ist, und liegen die Anspruchsvoraussetzungen für das Kug allein deshalb nicht vor, weil der Arbeitsausfall nicht unvermeidbar ist, wird das Kug auch insoweit geleistet, als der Arbeitnehmer Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhält, Abs. 3 Satz 1. Die Vorschrift enthält insofern eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Kug nur dann gewährt wird, wenn der Arbeitsausfall unvermeidbar ist. Grund für diese Ausnahme ist die Sicherstellung des Lebensunterhalts der betroffenen Arbeitnehmer, wenn diese tatsächlich kein Arbeitsentgelt erhalten (Krodel, in: Niesel, SGB III, § 174 Rz. 4; Kühl, in: Brand, SGB III, § 110 Rz. 5; Böttiger, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 100 Rz. 11). Abs. 3 soll also verhindern, dass bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Arbeitgeber und der Agentur für Arbeit über die Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls die Arbeitnehmer weder Arbeitsentgelt noch Kug erhalten. Wegen dieses besonderen Schutzzwecks ist die Gleichwohlgewährung des Kug nach Abs. nicht auf die Bezugsfrist nach § 104 anzurechnen (Kühl, a. a. O., Rz. 6; Krodel, a. a. O., Rz. 5).
Rz. 9
Nach der Praxis der Bundesagentur für Arbeit ist Abs. 3 auf Arbeitsausfälle anzuwenden,
- die entgegen den Darlegungen objektiv nicht die zwingende mittelbare Folge eines inländischen Arbeitskampfes sind, sondern allein durch die Entscheidung des Arbeitgebers verursacht wurden, die technisch und wirtschaftlich vertretbare Arbeit einzustellen,
- die deshalb nach den Feststellungen der Agentur für Arbeit im Betrieb vermeidbar sind,
- bei denen Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt für die Tage des vermeidbaren Arbeitsausfalls noch nicht untergegangen sind.
Abs. 3 findet dagegen keine Anwendung bei Arbeitsausfällen,
- die nicht die behauptete Folge eines inländischen Arbeitskampfes darstellen, sondern auf anderen wirtschaftlichen Ursachen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen,
- bei denen sonstige betriebliche Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind (durch § 100 Abs. 3 wird nur das Erfordernis der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls ersetzt, nicht dagegen z. B. die Mindestvoraussetzungen),
- die Arbeitnehmer betreffen, die in einem am Arbeitskampf beteiligten Betrieb beschäftigt sind. Dies gilt auch dann, wenn nur Teile der Belegschaft durch Streik oder Aussperrung in den Arbeitskampf einbezogen sein sollten, es sei denn, dass in einer fachfremden Abteilung die Arbeit eingestellt wurde, obwohl deren Fortführung technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar wäre (Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 100 SGB III, Stand: 12/2018).
Rz. 9a
Ein Anspruch auf die Gleichwohlgewährung des Kug nach Abs. 3 setzt voraus, dass der vom Arbeitgeber als unvermeidbare Folge des Arbeitskampfes dargestellte Arbeitsausfall vermeidbar ist. Ausschließlich für die Zeiten, für die nach Feststellung der Agentur für Arbeit die Arbeit hätte fortgesetzt werden können, finden Abs. 3 Anwendung. Nach der Geschäftsweisung der Bundesagentur für Arbeit sind bei der Frage der Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls an die Dispositionen des Arbeitgebers nur jene Anforderungen zu stellen, die auch sonst vernünftigerweise sein Handeln bestimmen. So muss die Vorratshaltung nicht größer, aber auch nicht kleiner sein als es der üblichen Handhabung entspricht.
Rz. 9b
Vermeidbar ist der Arbeitsausfall, wenn die Fortführung der Arbeit möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. "Wirtschaftlich vertretbar" heißt dabei nicht "wirtschaftlich zumutbar" (Bieback, in: BeckOK, SGB III, § 100 Rz. 7; Böttiger, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 100 Rz. 11). Es ist deshalb kein sehr strenger Maßstab anzulegen (so Bieback, in: BeckOK, SGB III, § 100 Rz. 7; ders., in: Gagel, SGB III, § 100 Rz. 39; Böttiger, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 100 Rz. 11). Ausreichend ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit der wirtschaftlichen Vertretbarkeit (Bieback, in: Gagel, SGB III, § 100 Rz. 40). Die Prüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit umfasst:
- den Vergleich der Mehrkosten, die bei der Fortführung der Arbeit entstehen würden, mit den Kosten, die der Arbeitgeber im Falle der Kurzarbeit ohnehin zu tragen hätte; die Höhe der Kosten hängt unter anderen davon ab, ob es sich um einen arbeits- oder kapitalintensiven Betrieb handelt;
- die Berücksichtigung der sonstigen wirtschaftlichen Folgewirkungen, die mit einer Entscheidung zur Fortführung der Arbeit verbunden wären (z. B. Verlust langjähriger Geschäftsbeziehungen, Produktion nicht absetzbarer Produkte).
Die Höhe der Mehrkosten für die Fortführung der Arbeit hat der Arbeitgeber darzulegen und glaubhaft zu machen. Soweit die Mehrkosten vom Arbeitgeber und Betriebsrat übereinstimmend beurteilt werden, ist nach der Praxis der Bundesagentur für Arbeit hiervon auszugehen (Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 100, Stand: 12/2018).
Rz. 10
Nach der Gesetzesbegründung setzt § 100 Ab...