Rz. 20
Abs. 3 entspricht inhaltlich§ 158 Abs. 4. Der Arbeitslose soll nicht dadurch in eine Notsituation geraten, dass einerseits sein Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Urlaubsabgeltung nicht erfüllt wird, andererseits aber auch kein Alg geleistet wird, dem Arbeitslosen also keine Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, obwohl gewiss ist, dass er entweder die Arbeitgeberleistung oder die Versicherungsleistung erhalten wird, Letztere allerdings nur, sofern der Leistung keine anderen Rechtsvorschriften entgegenstehen. Umgekehrt hat die Agentur für Arbeit einerseits Alg zu leisten, soweit Arbeitsentgelt- oder Urlaubsabgeltungsansprüche nicht bestehen, andererseits wird sie Anspruchsinhaber bzw. hat sie einen Erstattungsanspruch gegen den Arbeitslosen, wenn sie Alg leistet und sich später herausstellt, dass der Anspruch gemäß Abs. 1 oder 2 ruht. Daraus folgt, dass Abs. 3 schon anzuwenden ist, wenn der Arbeitslose nur möglicherweise Ansprüche auf Arbeitsentgelt oder Urlaubsabgeltung hat oder solche Ansprüche entstehen könnten; die Ansprüche müssen weder dem Grunde noch der Höhe nach feststehen. Ein Anspruch auf Alg kann allerdings auch nach Abs. 3 nur für Zeiten bestehen, die nach dem Ende der tatsächlichen Beschäftigung liegen. Offen bleiben kann auch, ob der Arbeitslose möglicherweise allein Anspruch auf Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung oder eine Entlassungsentschädigung hat oder mehrere dieser Leistungen beanspruchen kann. Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 3 besteht ein Rechtsanspruch auf die Gleichwohlleistung. Mit einer Bewilligung von Alg nach Abs. 3 wandelt sich durch die Gleichwohlgewährung nicht die zuvor nach § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 vorläufig erklärte Bewilligung in eine vorbehaltlose Bewilligung, weil Anpassungsbescheide das Schicksal der Vorläufigkeit teilen (SG Lüneburg, Urteil v. 3.11.2009, S 7 AL 226/08). Ausstehendes Arbeitsentgelt während eines noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisses kann nicht durch Alg teilweise ersetzt werden, es bedarf ggf. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, die allerdings von der Bedürftigkeit des Arbeitnehmers und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen abhängig ist.
Rz. 21
Das Gesetz schreibt auch nicht vor, dass bestehende Ansprüche des Arbeitslosen realisierbar sein müssen oder darauf wenigstens Aussichten bestehen; auch eventuelle Schwierigkeiten zur Realisierung bleiben unberücksichtigt. Alg ist deshalb auch zu leisten, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist, gleich ob ein Insolvenzverfahren stattfindet oder nicht. Der Agentur für Arbeit ist schließlich auch kein Ermessen darüber eingeräumt, ob es trotz des (möglichen) Ruhenstatbestands Alg leistet oder nicht. Es hat sich an der Tatsache zu orientieren, dass der Arbeitslose das Arbeitsentgelt bzw. die Urlaubsabgeltung (noch) nicht erhalten hat. Das liegt jedenfalls vor, wenn der Fälligkeitstag überschritten ist, ohne dass der Arbeitgeber geleistet hat, darüber hinaus aber wohl auch schon dann, wenn mit einer Zahlung realistischerweise nicht gerechnet werden kann. Vor einer Gleichwohlleistung hat die Agentur für Arbeit allerdings zu prüfen, ob sich hieraus Nachteile für den Arbeitslosen ergeben können. Das ist z. B. der Fall, wenn sich aus einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung offensichtlich eine Verlängerung der Kündigungsfrist ergeben wird und sich daraus wiederum eine deutlich längere Anspruchsdauer ergeben würde. Der Agentur für Arbeit obliegt in einem solchen Fall eine Hinweispflicht auf die Folgen der Gleichwohlgewährung und die Möglichkeit der Disposition nach § 137 Abs. 2 (SG Karlsruhe, Urteil v. 31.10.2012, S 16 AL 726/12, Leitsatz in NZS 2013 S. 277).
Rz. 22
Typischster Anwendungsfall des Abs. 3 ist die vom Arbeitnehmer erhobene Kündigungsschutzklage, die offen lässt, ob und für welche Zeit bzw. in welchem Umfang dem Arbeitslosen noch Arbeitsentgelt oder eine Entlassungsentschädigung zugesprochen wird. Der Anspruch auf eine Urlaubsabgeltung kann sich gerade auch aus einem arbeitsgerichtlichen Urteil oder Vergleich ergeben, z. B. bei einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zu einem Zeitpunkt kurz nach dem Ende des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Für eine Gleichwohlgewährung nach Abs. 3 sind die für das Alg geltenden Vorschriften nach den §§ 136 ff. ebenso anzuwenden. Das gilt auch für die Anspruchsdauer auf Alg, weshalb sich diese um die Anzahl von Tagen auch mindert, für die der Anspruch auf Alg nach § 157 Abs. 3 erfüllt worden ist. Von der Grundregel des § 148 Abs. 1 Nr. 1 sieht das Gesetz für den Fall der Gleichwohlgewährung keine Ausnahmeregelung vor (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 19.9.2011, L 16 AL 142/11).
Rz. 23
Besonderheiten ergeben sich immer dann, wenn zu einem Anspruch auf Urlaubsabgeltung weitere Tatbestände hinzutreten, die abhängig davon zu beurteilen sind, ob sie mit einem Alg-Bezug zusammentreffen oder nicht. Hat ein Arbeitnehmer eine Urlaubsabgeltung erhalten und ruht deshalb der Anspruch a...