Rz. 376
Das Gesetz setzt voraus, dass die abgelehnte Arbeit von der Agentur für Arbeit angeboten worden ist und nicht etwa von einem Jobcenter. Daher kann eine Sperrzeit nicht eintreten, wenn der Arbeitslose sich dazu entschließt, eine selbst aufgespürte zumutbare Beschäftigung nicht anzunehmen, einem vereinbarten Termin für ein Vorstellungsgespräch nicht nachzukommen oder nach einer Einstellung die neue Beschäftigung nicht anzutreten. Dasselbe gilt für ein Arbeitsangebot durch einen privaten Arbeitsvermittler, ein solches Angebot darf der Arbeitslose auch ohne Angabe von Gründen ablehnen, ohne den Eintritt einer Sperrzeit befürchten zu müssen.
Rz. 377
Personen, die nur aufstockend Alg II erhalten (sog. Aufstocker), werden seit dem 1.1.2017 in vermittlerischer Hinsicht durch die Agenturen für Arbeit betreut. Seither kann durch die Agenturen für Arbeit ein sperrzeitrelevantes Arbeitsangebot auch in praktischer Wirklichkeit an den Arbeitslosen gerichtet werden. Ein durch die gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II erstellter Vermittlungsvorschlag wird i. d. R. nicht mit der Wirklichkeit der Jobcenter übereinstimmen, das dürfte auch für zugelassene kommunale Träger nach § 6a SGB II zutreffen. Jobcenter unterbreiten demnach faktisch kein Arbeitsangebot mehr, daher tritt keine Sperrzeit durch ein Arbeitsangebot eines Jobcenters, wohl aber ggf. durch ein Angebot der Agentur für Arbeit ein. Ggf. hat das Jobcenter eine Leistungsminderung nach §§ 31 ff. festzustellen (vgl. § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, gemäß § 84 SGB II galt jedoch vom 1.7.2022 bis 31.12.2022 ein Sanktionsmoratorium). Agiert ein gemeinsamer Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit und des Jobcenters, wird regelmäßig ein insoweit ordnungsgemäßes Arbeitsangebot angenommen werden können.
Rz. 378
Ein Arbeitsangebot der Agentur für Arbeit stellt einen Vermittlungsvorschlag dar, der darauf ausgerichtet ist, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Die Agentur für Arbeit hat nicht die Befugnis, über die Besetzung einer (ihr gemeldeten) offenen Stelle zu befinden. Das Arbeitsangebot stellt daher keinen Verwaltungsakt dar, sondern nur den Nachweis einer Arbeitsgelegenheit (BSG, Urteil v. 19.1.2005, B 11a/11 AL 39/04 R).
Rz. 379
Ein Arbeitsvertrag wird nur geschlossen, wenn sich die Parteien über die wichtigsten Punkte, nämlich die zu leistende Arbeit durch den Arbeitnehmer und die zu erbringende Vergütung durch den Arbeitgeber, einig sind. Die Arbeitsleistung wird durch die Weisungen des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts konkretisiert, eine konkrete Vergütung braucht der Arbeitsvertrag nicht unbedingt zu enthalten, weil im Zweifel § 612 BGB gilt. Ein Arbeitsvertrag kommt auch zustande, wenn die Vertragsdauer noch nicht bestimmt ist, der Arbeitnehmer jedoch im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Arbeitgeber die Arbeit aufnimmt. Für die Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages gilt, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz im Rahmen des Art. 12 GG frei wählen darf, Einschränkungen als Folge der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung sind vom GG gedeckt. Gerade deshalb darf er eine zumutbare Beschäftigung nicht ohne wichtigen Grund ablehnen. Der Arbeitgeber handelt aus seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 GG heraus. Das schließt z. B. ein, einen befristeten Arbeitsvertrag nicht zu verlängern. Behauptet der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, bei einem abgeschlossenen Arbeitsvertrag handele es sich um ein Scheingeschäft, so hat er dies darzulegen und nachzuweisen. Minderjährige benötigen eine Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters dazu, Arbeit aufzunehmen (vgl. § 113 BGB). Der gesetzliche Vertreter darf auch den Umfang bestimmen. Fehlt es insoweit an einer konkreten Aussage, darf im Zweifel angenommen werden, dass die Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters umfassend ist, also keinen Einschränkungen unterliegt. Diese arbeitsrechtliche Betrachtung gilt es bei der Sachverhaltsermittlung zu möglichen Sperrzeitsachverhalten bei Arbeitsablehnung zu berücksichtigen. Vereinbarungen über ein Arbeitsverhältnis zu einem "Hungerlohn" sind sittenwidrig und damit unwirksam (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.4.2016, 15 Sa 2258/15). Dem Arbeitnehmer ist auch der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz zuzugestehen (ab 1.10.2022 12,00 EUR brutto je Arbeitsstunde). Arbeitsverträge mit älteren Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, dürfen nach Maßgabe der weiteren Voraussetzungen in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG sachgrundlos befristet werden (BAG, Urteil v. 28.5.2014, 7 AZR 360/12). Grundsätzlich ist die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform ausreichend, um der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmer und dem Sozialstaatsprinzip Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschluss v. 6.6.2018, 1 BvL 7/14, 1 BvR 13...