Rz. 3
Abs. 1 Satz 1 bestimmt die Agenturen für Arbeit als Beitragsschuldner gegenüber den Einzugsstellen. Maßgebender Zeitpunkt ist der Eintritt des Insolvenzereignisses. Die Beitragsschuld bezieht sich auf die letzten drei Monate eines jeden Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis, das von der Insolvenz betroffen ist. Ohne ein Insolvenzereignis besteht der Anspruch der Einzugsstelle nicht.
Rz. 4
Beitragsschuld ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag i. S. d. § 28d SGB IV (Pflichtbeiträge), der auf die Arbeitsentgelte dieses dreimonatigen Zeitraums entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist. Ob die Arbeitsentgelte selbst ausgezahlt worden sind, ist unerheblich. Der Zahlungsanspruch entfällt auch nicht dann, wenn der Anspruch auf Arbeitsentgelt z. B. durch Verfristung oder gerichtlichen Vergleich entfällt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag enthält sowohl den Arbeitgeberanteil wie auch den Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen. Freiwillig oder privat zu entrichtende Beiträge werden von § 175 nicht erfasst. Dagegen hat die Bundesagentur für Arbeit auch Pauschalbeiträge für geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer zu übernehmen.
Rz. 5
Die Zahlungspflicht der zuständigen Agentur für Arbeit tritt nur ein, wenn die Einzugsstelle die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages beantragt. Dazu ist sie nach dem Wortlaut der Vorschrift zwar nicht verpflichtet, die Beitragszahlung liegt aber im Interesse der Sozialversicherungsträger, weil sie zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit beiträgt. Der Antrag ist an die zuständige Agentur für Arbeit zu richten. Er ist an keine Form gebunden. Durch den Zahlungsanspruch gegen die Bundesagentur wird der eigentlich zur Zahlung verpflichtete insolvente Arbeitgeber von seinen Verbindlichkeiten gegenüber der Einzugsstelle nicht befreit. Die Bundesagentur haftet für die Beitragsschuld des Arbeitgebers kraft gesetzlichen Schuldbeitritts (BSG, Urteil v. 14.8.84, 10 RAr 18/83, SozR 4100 § 141e Nr. 6 und SozR 1500 § 144 Nr. 26).
Rz. 6
Säumniszuschläge, die auf die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge entfallen, werden von den Agenturen für Arbeit nicht gezahlt, wenn diese auf Pflichtverletzungen des insolventen Arbeitgebers beruhen. Dasselbe gilt für Stundungszinsen. Der Gesetzgeber hat diese Beschränkung der Zahlungspflicht der Agenturen für Arbeit auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach der Definition des SGB IV im Hinblick auf das Recht der Europäischen Gemeinschaften und des Kostenanstiegs in diesem Segment als notwendig angesehen. Nach der Gesetzesbegründung sind damit die Kosten der Zwangsvollstreckung von der Zahlungspflicht der Agenturen ausgenommen. Das gilt auch für weitere Nebenforderungen (BSG, Urteil v. 14.9.2005, B 11a/11 AL 83/04 R, SozR 4-4300 § 208 Nr. 1).
Rz. 7
Die Regelungen des § 175 lassen die Rechtsstellung der Arbeitnehmer unberührt.
Rz. 8
Die Nachweispflicht der Einzugsstelle nach Abs. 1 Satz 2 bezieht sich auf jeden einzelnen Arbeitnehmer und dessen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag relevanten Arbeitsentgelt (ggf. einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgelder sowie sonstiger in die Beitragspflicht einbezogener Bezahlungsbestandteile). Die Einzugsstelle ist auch zu einer entsprechenden Meldung der Beschäftigungszeit und des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts an die gesetzliche Rentenversicherung verpflichtet.
Rz. 9
Nach Abs. 2 Satz 1 bleibt der Anspruch auf Beiträge gegenüber dem Arbeitgeber trotz Zahlung durch die Agenturen für Arbeit erhalten. Die Einzugsstelle meldet die Ansprüche zur Insolvenztabelle an. Diese Regelung eröffnet dem Gesetzgeber die Möglichkeit, der Bundesagentur für Arbeit einen eigenständigen Erstattungsanspruch gegenüber der Einzugsstelle einzuräumen, falls Beitragsansprüche nach der Entrichtung durch die Arbeitsagenturen noch erfüllt werden. Damit ist ein Übergang der Ansprüche auf die Bundesagentur entbehrlich. Hat die Agentur für Arbeit jedoch nach § 157 Abs. 3 Arbeitslosengeld geleistet und darauf Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, steht ihr daraus bereits ein Ausgleichsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber zu, so dass unter Umständen ein unzulässiger Doppelzugriff möglich wird.