2.1 Aktive Arbeitsförderung
Rz. 3
§ 22 regelt das Verhältnis von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem SGB III zu anderen vergleichbaren Leistungen. Zum Nachrang der Sozialhilfe vgl. § 2 Abs. 2 SGB XII. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, Doppelförderungen und Doppelzahlungen zu vermeiden und zugleich klarzustellen, ob Leistungen nach dem SGB III vorrangig oder nachrangig sind oder neben anderen Leistungen gewährt werden können. Damit wird zugleich anderen Trägern und Stellen untersagt, Leistungen unter Hinweis auf diejenigen nach dem SGB III zu verweigern. Für besondere Fallkonstellationen sieht die Vorschrift aber auch Doppelzuständigkeiten vor. Nicht ausgeschlossen ist eine Anschlussförderung nach dem Wegfall der vorrangigen Leistung oder eine Ergänzungsförderung.
Rz. 4
Abs. 1 Satz 1 schreibt den Nachrang von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem SGB III insgesamt, insbesondere auch über Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung hinaus, vor, wenn entweder ein anderer Leistungsträger oder eine andere öffentlich-rechtliche Stelle aufgrund gesetzlicher Verpflichtung gleichartige Leistungen erbringen muss bzw. müsste. Zu letzterem Fall vgl. auch § 23. Es ergibt sich eine Rangfolge für die Leistungsgewährung zur aktiven Arbeitsförderung in der Reihenfolge öffentlich-rechtlicher Ansprüche auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung außerhalb des SGB III vor denen nach dem SGB III, diese wiederum vor der Ausbildungsbeihilfe nach § 44 StVollzG und nachrangig Leistungen nach § 22 SGB XII. Zur Rangfolge bei Leistungen zur beruflichen Eingliederung behinderter Menschen vgl. die Komm. zu Abs. 2. Im Grundsatz sind die Leistungen der Arbeitsförderung als Versicherungsleistungen vorrangig vor den Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Einzelheiten zur Regelung der Wechselwirkungen in beiden Gesetzen enthält Abs. 4.
Rz. 5
Leistungsträger nach dem SGB sind in § 12 SGB I aufgeführt. Von öffentlich-rechtlichen Stellen können nur privat-rechtlich operierende Organisationen abgegrenzt werden. Erfasst werden insbesondere Bund, Länder und Gemeinden, Versorgungsämter, Ämter für Ausbildungsförderung, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.
Rz. 6
Von dem Nachrang sind nur Leistungen der aktiven Arbeitsförderung betroffen. Ausgenommen sind die passiven Leistungen nach Maßgabe des § 3 Abs. 2, also Alg, Teil-Alg und Insolvenzgeld.
Rz. 7
Leistungen nach dem SGB III kommen nur dann nicht in Betracht, wenn der andere Verpflichtete eine gleichartige Leistung erbringen muss. Dafür ist weder die Bezeichnung der Leistung noch ihre Höhe maßgebend. Eine Spezialvorschrift enthält seit dem 1.1.2019 Abs. 1a Satz 1 (mit befristeter Ausnahmeregelung in Abs. 1a Satz 2). Entscheidend sind der Charakter und der Zweck der Leistung, woraus aus dem begünstigten Personenkreis und in der Regel die Anspruchsvoraussetzungen geschlossen werden kann. Gleichartigkeit kann danach insbesondere auch angenommen werden, wenn der Zweck der Leistung die Eingliederung in Arbeit oder die Vermeidung eintretender Arbeitslosigkeit ist. Vergleichbarkeit fordert keine Identität mit der anderen Leistung. Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach § 368 Abs. 3 und 4 im Rahmen von Bundes- und Länderprogrammen oder aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds werden vom Nachrang des Abs. 1 nicht erfasst. Gleichartig sind Leistungen, die einen gleichartigen Zweck verfolgen, typischerweise die Integration in den Arbeitsmarkt bzw. die Unterstützung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, und einen gleichartigen Inhalt haben.
Rz. 8
Freiwillige Leistungen eines anderen Leistungsträgers bzw. einer anderen Stelle werden von § 22 nicht berührt. Die vergleichbare Leistung muss auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen. Unerheblich ist, ob die Leistung tatsächlich erbracht wird oder nicht oder ob ein Antrag darauf durch den Leistungsberechtigten gestellt wurde. Auf gesetzlicher Verpflichtung beruhen Leistungen, wenn sie in einem Bundesgesetz, Landesgesetz oder in einer Rechtsverordnung, zu der ein Gesetz ermächtigt hat, aufgeführt sind. Landesgesetze können seit Inkrafttreten des SGB III allerdings mit einer Klausel versehen werden, die einen Nachrang zulasten der Arbeitsförderung bestimmen. Ebenso können durch Landesgesetze Leistungen nach dem SGB III lediglich aufgestockt werden. Auch kommen Satzungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts als Grundlage vorrangiger Verpflichtungen in Betracht. Leistungen aufgrund von Verwaltungsvorschriften stellen keine gesetzliche Verpflichtung dar.
Rz. 9
Der Begriff der Verpflichtung in Abs. 1 Satz 1 weist auf die Notwendigkeit eines Rechtsanspruches hin. Demnach wären Ermessensleistungen, die ein Leistungsträger oder eine andere öffentlich-rechtliche Stelle zu erbringen hat, nicht von § 22 erfasst. Das stimmt mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht überein. Gleichwohl wird sie so gehandhabt; es bedarf einer zwingenden Verpflichtung der anderen Stelle zur Gewährung der Leistung. Das gilt auch in Fällen, in denen e...