0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) im Rahmen der Neufassung des Elften Kapitels zum 1.1.2004 neu in das SGB III eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift schafft im Sinne eines möglichst einfachen Zugangs zu den Sozialleistungen (vgl. § 17 SGB I) nach dem SGB III die Möglichkeit, in bestimmten Fällen eine Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit ortsnah zum Wohnsitz des Klägers anzustrengen. Insofern stellt die Vorschrift eine Sonderregelung zum örtlichen Gerichtsstand für Fälle dar, in denen die Bundesagentur für Arbeit verklagt wird. Ausgangspunkt der Vorschrift ist die Regelung des § 367 Abs. 4, nach der Nürnberg zum Sitz der Bundesagentur für Arbeit bestimmt wurde. Dazu bestimmt § 57 Abs. 3 SGG, dass der Sitz der Beklagten maßgebend für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ist, wenn der Kläger seinen Wohnort im Ausland hat. Dementsprechend führt die Gesetzesbegründung aus, dass die Vorschrift es Grenzgängern ermöglichen soll, Klagen gegen die Bundesagentur für Arbeit nicht nur beim Sozialgericht Nürnberg, sondern auch bei anderen Sozialgerichten zu erheben. Die Befugnis ist nicht auf Grenzgänger beschränkt. Voraussetzung dafür ist, dass eine Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit Bezug auf den Aufgabenbereich einer Regionaldirektion oder einer Agentur für Arbeit hat. Ist das der Fall, hat der Kläger ein Wahlrecht, ob er die Klage beim Sozialgericht Nürnberg oder nach den allgemeinen Vorschriften bei dem Sozialgericht einlegen will, das für den Sitz der Dienststelle zuständig ist, auf dessen Aufgabenbereich der konkrete Bezug der Klage zutrifft. Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit kann auf das Wahlrecht der Betroffenen keinen Einfluss nehmen. Er ist lediglich dafür zuständig, die Abgrenzung der Bezirke der Agenturen für Arbeit festzulegen und die Geschäftsverteilung der Aufgabenerledigung zu bestimmen.
Wo ein Kläger seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat, wird im SGG nicht bestimmt. Aufgrund der Regelung des § 369 kann (hilfsweise) auf die für soziale Angelegenheiten geschaffene Regelung in § 30 SGB I zurückgegriffen werden. Danach hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Die Vorschrift gilt nur für Klagen gegen die Bundesagentur für Arbeit, nicht für Klagen der Bundesagentur für Arbeit gegen Dritte. Das Gesetz nimmt keinen Bezug auf Sozialgerichte; dies tut lediglich die Gesetzesbegründung. Die Begründung nennt einen typischen Beispielsfall; deshalb ist davon auszugehen, dass die Vorschrift auch dann Anwendung findet, wenn keine sozialrechtliche Streitigkeit betroffen ist, sondern ein anderer Gerichtszweig, z. B. für arbeitsrechtliche oder verwaltungsrechtliche Streitigkeiten, etwa Amtshaftungsprozesse.
Rz. 4
Die Vorschrift kann nur angewendet werden, wenn der Sitz der Bundesagentur für Arbeit maßgebend für den örtlichen Gerichtsstand ist und die Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit deshalb zwingend bei einem Gericht in Nürnberg einzulegen wäre. Nürnberg ist allgemeiner Gerichtsstand der Bundesagentur für Arbeit (vgl. § 17 Abs. 1 ZPO). Das ist nach § 57 Abs. 3 SGG bei einem Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Klägers im Ausland der Fall.
Rz. 5
Durch die Satzung der Bundesagentur für Arbeit wird speziell für die ordentliche Gerichtsbarkeit als allgemeiner Gerichtsstand auch der Sitz der Regionaldirektion, Agentur für Arbeit oder besonderen Dienststelle bestimmt, auf die sich die Klage bezieht (vgl. Art. 13 Abs. 2 der Satzung der BA v. 16.12.2004 i. d. F. v. 20.2.2024, BAnz 20.2.2024 B 8). Für den Hauptanwendungsfall des § 369, die Sozialgerichtsbarkeit, gilt diese ausdehnende Regelung nicht.
Rz. 6
Die Möglichkeit einer Erhebung der Klage bei dem Gericht, in dessen Bezirk eine Regionaldirektion oder Agentur für Arbeit bzw. besondere Dienststelle ihren Sitz hat, ist auf Fälle beschränkt, in denen die Klage einen konkreten Bezug auf den Aufgabenbereich dieser Dienststelle hat. Mit Bezug zum Aufgabenbereich ist die Kompetenz der Dienststelle innerhalb der Bundesagentur für Arbeit gemeint, die die beklagte Entscheidung zu treffen hat. Im Zweifel hat die Dienststelle den engeren Bezug, die die angegriffene Entscheidung tatsächlich getroffen hat. Gegenüber früherem Recht regelt das SGB III nicht mehr, auf welcher Verwaltungsebene welche Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit wahrgenommen werden müssen. Insoweit kommt es unter Berücksichtigung der Pflicht zur ortsnahen Leistungserbringung auf die Zweckmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung an. Es gehört zur Organisationshoheit des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit, darüber zu entscheiden, durch welche Dienststelle welche Aufgabe nach dem Recht der Arbeitsförderung wahrgenommen wi...