Rz. 8
Abs. 2 ermöglicht eine neue Entscheidung sowohl der nicht bestandskräftigen wie auch der bestandskräftigen Entscheidungen. Korrigiert werden können Fälle,
- in denen Alg zu Unrecht abgelehnt worden ist, weil die zurückgelegten Versicherungspflichtzeiten ohne die Gleichstellung innerhalb der Rahmenfrist nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit ausgereicht haben, mit der Gleichstellung die Anwartschaftszeit aber erfüllt wird, und
- in denen ein Anspruch auf Alg zwar bewilligt worden ist, die Anspruchsdauer auf Alg durch die fehlende Gleichstellung aber zu gering festgesetzt worden ist.
Rz. 9
Abs. 2 Nr. 1a erfasst Fälle der am 28.3.2006 noch nicht unanfechtbar ergangenen Ablehnungsentscheidungen. Das werden Widerspruchsverfahren und gerichtliche Verfahren sein, die wegen des Verfahrens vor dem BVerfG ruhend gestellt worden sind. Die Agenturen für Arbeit haben diese Fälle von Amts wegen aufzugreifen. Das dürfte aufgrund der Ruhendstellung unproblematisch sein. In der Regel werden die Fälle listenmäßig festgehalten worden sein.
Rz. 10
Abs. 2 Nr. 1b erfasst Fälle, in denen wegen der fehlenden gesetzlichen Regelung über die Gleichstellung die Mutterschaftszeiten nicht berücksichtigt worden sind, deren nachträgliche Berücksichtigung aber zu einer Erhöhung der Anspruchsdauer führt. Auch diese Fälle sind von Amts wegen durch die Agenturen für Arbeit aufzugreifen. Das dürfte ebenfalls unproblematisch sein, weil die Fälle entweder im IT-Verfahren als solche gekennzeichnet sind oder die Leistungsakten mit Wiedervorlageverfügungen versehen wurden. In einzelnen Agenturen für Arbeit könnten auch Listen über die Fälle existieren. Die Regelung erfasst darüber hinaus die Fälle, in denen die Bezugszeit der Mutterschutzleistungen berücksichtigt worden ist; das wird die weitaus geringere Zahl sein (vgl. § 328 Abs. 1 Nr. 1). In diesen Fällen ist von der Agentur für Arbeit weiter nichts zu veranlassen (§ 328 Abs. 2), es sei denn, der Berechtigte stellt einen Antrag, die vorläufige Entscheidung für endgültig zu erklären.
Rz. 11
Über alle übrigen Ansprüche ist auf Antrag zu entscheiden. Damit werden insbesondere die bestandskräftigen Fälle erfasst, gleich, ob es sich um Ablehnungen oder zu gering festgesetzte Anspruchsdauern handelt. Damit hat der Gesetzgeber den Hinweis des BVerfG aufgegriffen, dass es in seiner Hand liegt, die Wirkung des Beschlusses des BVerfG auch auf bestandskräftige Entscheidungen zu erstrecken. In den betroffenen Fällen könnten die Leistungsunterlagen bereits vernichtet worden sein, sodass es auch auf die Mitwirkung des Betroffenen ankommt, damit eine korrigierende Entscheidung getroffen werden kann.
Rz. 12
Abs. 2 ist als Spezialregelung anzusehen, die auch eine nachträgliche Leistungserbringung gestattet, wenn dabei die 4-jährigen Fristen nach dem SGB X überschritten werden (vgl. § 44 Abs. 4, § 48 Abs. 4 SGB X).
Rz. 13
Abs. 2 steht der Anwendbarkeit von Abs. 1 und daneben § 434d Abs. 2 nicht entgegen. Insoweit ist § 434d nicht eingeschränkt worden (vgl. in diesem Zusammenhang LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 11.12.2009, L 3 AL 67/08).