Rz. 39
Ein Arbeitsausfall ist nach § 96 Abs. 4 nicht vermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Maßstab für die Vorkehrungen des Arbeitgebers ist, was von einem sorgfältigen Unternehmer an Vorsorgemaßnahmen und ständigen Anpassungsmaßnahmen erwartet werden kann (BSG, Urteil v. 15.12.2005, B 7a AL 10/05 R). Beispiele für derartige Vorsorgemaßnahme sind Arbeit auf Lager oder das Vorziehen notwendiger Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten. Ist aber der Betrieb wegen der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Kostenreduktion bei der Lagerhaltung auf just-in-time-Zulieferung übergegangen, kann Kurzarbeit nicht wegen fehlender Lagerhaltung abgelehnt werden (so Krodel, in Niesel, SGB III, § 170 Rz. 25).
Rz. 40
§ 96 Abs. 4 Satz 2 zählt dabei beispielhaft wirtschaftliche Ursachen auf, bei denen die Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls fingiert wird. So schließt § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 die Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls aus, wenn er überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist. Diese Ursachen des Arbeitsausfalls werden beim Kug dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zugeordnet, weil die entsprechenden Arbeitsausfälle in die Kalkulation eingehen und der Arbeitgeber den organisatorischen, technischen und kaufmännischen Ablauf störungsfrei zu gestalten hat (BT-Drs. 11/800 S. 11). Dabei gehören zur Risikosphäre des Arbeitgebers insbesondere die betriebsnahen, auf der Eigenart des Betriebes beruhenden – betriebs- und branchenüblichen – Ursachen für den Arbeitsausfall (BSG, Urteil v. 21.7.2009, B 7 AL 3/08 R). Das Kug kann nach Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 nur dann versagt werden, wenn die dort niedergelegten Ausschlussgründe überwiegen. Wird ein darauf beruhender Arbeitsausfall von globalen oder sektoralen wirtschaftlichen Ursachen nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 überlagert, ist Kug zu gewähren, wenn der Arbeitsausfall hauptsächlich auf wirtschaftliche Ursachen zurück zu führen ist.
Rz. 41
Saisonbedingter Arbeitsausfall in der See- und Binnenschiffahrt liegt in den Wintermonaten der fahrplanmäßig verkehrenden Fahrgastschifffahrt insbesondere in Binnengewässern und bei Versorgungsschiffen der Nord- und Ostseeinseln vor (Fachliche Weisungen der BA zu § 97, Stand: 12/2018).
2.4.1.1 Branchenüblicher Arbeitsausfall
Rz. 42
Ein branchenüblicher Arbeitsausfall liegt vor, wenn er aufgrund der Eigenart des Wirtschafts- oder Geschäftszweiges, welchem der Betrieb angehört, mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftritt (Lüdtke/Guldan, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 96 Rz. 16). Es muss feststellbar sein, dass nicht nur der einzelne Betrieb, sondern eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Betriebe in vergleichbarer Weise von Arbeitsausfällen betroffen ist. Ob es sich um einen branchenüblichen Arbeitsausfall handelt, muss im Einzel geprüft werden. Ggf. sind entsprechende gutachterliche Stellungnahmen (z. B. von den Wirtschaftsministerien, Handelskammer, Handwerkskammern u. a.) hinzuzuziehen.
Rz. 43
Der Arbeitsausfall in Zeitarbeitsunternehmen ist in diesem Sinne grundsätzlich branchenüblich. Dies zeigt bereits § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AÜG, der den Arbeitgeber verpflichtet, zusätzlich zu den in § 2 Abs. 1 NachWG genannten Angaben in die Niederschrift die Art und Höhe seiner zu erbringenden Leistung für Zeiten aufzunehmen, in denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist. In diesem Zusammenhang ist auch § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG zu sehen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Verleiher das von ihm zu tragende Entgeltrisiko nicht auf den Leiharbeitnehmer abwälzt. § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG setzt damit die Arbeitsausfallzeiten bei Leiharbeitsverhältnissen normativ als wesensimmanent oder typusbildend voraus. Auf die tatsächlichen Gegebenheiten kommt es nicht an. Der Arbeitsausfall von Arbeitnehmern in einem Betrieb der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung ist branchenüblich; er gilt deshalb regelmäßig als vermeidbar, so dass kein Kug gezahlt werden kann (BSG, Urteil v. 21.7.2009, B 7 AL 3/08 R).
2.4.1.2 Betriebsüblicher Arbeitsausfall
Rz. 44
Betriebsüblich ist der Arbeitsausfall, wenn er auf der Eigenart des Betriebes beruht (Lüdtke, in: LPK-SGB III, § 170 Rz. 15). In der Regel wird es sich um einen Arbeitsausfall handeln, der mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftritt. In der Praxis der Bundesagentur für Arbeit wird ein Arbeitsausfall im allgemeinen als regelmäßig wiederkehrend angesehen, wenn in den letzten 3 aufeinander folgenden Jahren annähernd zur gleichen Zeit und aus den gleichen Gründen verkürzt gearbeitet wurde (Fachliche Weisungen der BA zu § 96, Stand: 12/2018). Die betriebsüblichen Gründe müssen nicht notwendig regelmäßig wiederkehren. Sie können auch ein einmaliges Ereignis darstellen, wenn sich besondere Risiken des Betriebes in diesem Ereignis konkretisieren (BSG, Urteil v. 18.5.1995, 7 Rar 28/94; Kühl, in: Brand, SGB III, § 96 Rz. 31). Zu den Gründen eines betriebsüblichen Arbeitsausfalls gehören: Wartung technischer Anlagen, Reparaturen, Baumaßnahmen oder Inventuren (Lüdtke/Guldan, in: Böttiger/K...