Leitsatz
Die Gewährung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs für Ausschüttungen einer französischen Investmentgesellschaft in der Rechtsform einer société d´investissement à capital variable (SICAV) an eine deutsche Kapitalgesellschaft ist zwar nicht deswegen ausgeschlossen, weil die SICAV von der französischen KSt persönlich befreit ist. Sie setzt jedoch voraus, dass es sich bei der SICAV nach deutschem Recht um eine Kapitalgesellschaft handelt, die in Frankreich nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/1989 aufgrund ansässigkeitsbegründender Merkmale prinzipiell steuerpflichtig ist.
Normenkette
Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Abs. 2, Art. 9 Abs. 1, Art. 18, Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich 1959/1989; § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, die in den Streitjahren 1991 und 1992 an einer französischen Investmentgesellschaft in der Rechtsform einer SICAV mit mehr als 10 % der Anteile beteiligt war und von dieser (Brutto-)Ausschüttungen vereinnahmt hatte.
Das für diese Ausschüttungen von der Klägerin beanspruchte sog. Schachtelprivileg nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich 1959/1989 wurde von dem FA versagt. Stattdessen rechnete das FA die – nicht vergütete – französische Abzugsteuer auf die festgesetzte KSt an. Zudem berücksichtigte es für 1991 eine Abschreibung auf die Beteiligung an der SICAV und für 1992 einen Veräußerungsverlust.
Die anschließende Klage, mit der die Klägerin für die Ausschüttungen der SICAV das Schachtelprivileg nach Maßgabe von Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich 1959/1989 unter Gegenrechnung der anerkannten Teilwertabschreibungen und unter Fortfall der angerechneten französischen Steuern begehrte, hatte Erfolg(FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.6.2011, 1 K 2422/08, Haufe-Index 2735754, EFG 2011, 1828).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurück. Grundsätzlich sei dem FG zwar zuzustimmen und das erstrebte Schachtelprivileg sei zu gewähren. Doch hänge das von der gesellschafts- und steuerrechtlichen Behandlung der SICAV in Frankreich ab, und dazu habe das FG bislang "zu wenig" festgestellt.
Hinweis
1. Es geht um die Gewährung des abkommensrechtlichen sog. Schachtelprivilegs nach Maßgabe des DBA-Frankreich für die Gewinnausschüttungen einer französischen Tochtergesellschaft in der französischen Rechtsform der SICAV an ihre deutsche Muttergesellschaft: Bei der Rechtsform einer SICAV handelt es sich in Frankreich (ebenso wie z.B. in Luxemburg oder in der Schweiz) um eine (zumeist mehr oder weniger "substanzlose") Kapitalanlagegesellschaft mit variablem Grundkapital. Sie ermöglicht eine breite Risikostreuung. Ihrer bedienen sich regelmäßig und vor allem Investmentfonds.
2. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Frankreich 1959/1989 sind Dividenden von der Bemessungsgrundlage der deutschen KSt auszunehmen, wenn es sich um aus Frankreich stammende Einkünfte handelt, die nach dem DBA-Frankreich 1959/1989 in Frankreich besteuert werden können. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich 1959/1989 ist diese Regelung in Buchst. a bei Dividenden nur auf die Nettoeinkünfte anzuwenden, die den Dividenden entsprechen, die von einer in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals der französischen Gesellschaft gehören.
3. Der BFH stellt zunächst klar: Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich 1959/1989 ist unbeschadet seiner Anknüpfung an Buchst. a nicht als Rechtsgrund-, vielmehr als Rechtsfolgenverweisung zu verstehen, die ihre tatbestandlichen Voraussetzungen eigenständig anordnet. Andernfalls liefe sie leer, weil eine Besteuerung der betreffenden Dividenden in Frankreich infolge der parallelen, an Frankreich als Quellenstaat adressierten Schachtelprivilegierung nach Art. 9 Abs. 4 DBA-Frankreich 1959/1989 gerade ausgeschlossen ist und eine potenzielle Besteuerung der Dividenden in Frankreich, wie von Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/1989 aber gefordert, sonach von vornherein außer Betracht bliebe.
4. Ob eine Gesellschaft in diesem Sinne eine in einem Vertragsstaat (hier Frankreich) ansässige Person ist, bestimmt sich wiederum abkommensautonom nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/1989: Es handelt sich hiernach um eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Was eine Kapitalgesellschaft ist, wird abkommensrechtlich hingegen nicht bestimmt; es ist daher auf das jeweilige innerstaatliche Recht zurückzugreifen (vgl. Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich 1959/1989).
Maßgebend ist danach im Ergebnis das Rechtsverständnis beider Vertragsstaaten:
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